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Der Tote im Grandhotel

Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
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Tode
    sehr nahe gefühlt, nun legte sie Wert auf parfümiertes Badewasser.
    Wie seltsam. Verrückt!
    Angst hatte sie immer noch. Aber sie erkannte, daß man eine To-
    deskandidatin wohl kaum noch würde baden lassen. Vielleicht woll-te Onkelchen sich ihrer Talente als Kurier bedienen?
    Sie badete nur kurz, weil sie nicht nackt in der Wanne überrascht werden wollte, schrubbte sich energisch ab, ließ das Wasser ablau-fen und duschte erst heiß und dann eiskalt. Sie fühlte sich besser.
    Der Bademantel war ihr viel zu groß, doch zu große Bademäntel
    sehen an einer Frau rührend und niedlich aus, wenn sie die Ärmel aufkrempelt und den Gürtel eng bindet. Das hatte Britta schon
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    mehrmals ausprobiert.
    Ihre Kleidung rollte sie zu einem Bündel zusammen, die saubers-
    ten Sachen nach außen, weil sie der Gedanke genierte, irgendwer könne das Zeug sehen, anfassen, daran riechen gar. Sie kämmte sich mit einem grobzinkigen, weißen Kamm und spülte den Mund aus,
    versuchte auch, mit dem Zeigefinger reibend, die Zähne zu putzen.
    Es klopfte an der Tür, und Juri trat ohne weiteres mit einem Tablett ein, das er auf den Tisch stellte. Auf einem Teller waren zwei Brotschnitten mit Schinken und eine Weinrebe nett angerichtet.
    Eine kleine Kanne mit belebend duftendem Kaffee und ein Känn-
    chen mit Kaffeesahne standen daneben. Tischlein deck dich.
    Juri war schon wieder gegangen, scheinbar ohne sie zu beachten.
    Brittas Vitalität siegte. Sie setzte sich und aß mit Appetit, ja, sie ver-schlang die ersten Bissen förmlich, verbrannte sich den Mund am Kaffee und verschluckte sich fast daran. Ihr Leben war aus der Bahn geraten, doch innerhalb ihrer unglücklichen Verfassung ließ ihr diese Mahlzeit den Spielraum für einen animalischen Genuß.
    Wieder öffnete sich die Tür; diesmal war vorher nicht angeklopft worden. Eigentlich hatte Britta die ganze Zeit geahnt, was nun kam.
    Der Alte trat ein. Er war in eine Art braunen Pyjama gekleidet, braun mit weißen Pünktchen, offenbar aus reiner Seide, eine Ele-ganz, die in geradezu obszönem Widerspruch zu seiner häßlichen
    Erscheinung stand.
    »Ah, mein Neffe sagt, du sein sehr zäh, viel Widerstand, das ge-fällt mir, komm mit, wir wollen das nun probieren«, sagte er.
    Ohne Mütze sah er ganz anders aus, weniger vogelartig, dafür ge-fährlicher, knochiger, mit einem blanken, gebräunten Schädel, auf dem nicht ein Haar wuchs, während über der Oberlippe ein breiter Bürstenbart saß, lackschwarz, wohl gefärbt. Wie alt mochte er sein?
    Wenn Vlado um die Dreißig oder jünger war … vielleicht war der
    Alte kaum fünfzig? Nein, er war ein Greis, gebeugt von der Zeit, mit brüchigen Knochen und saftloser Haut.
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    Das flüchtige Wohlgefühl war vergangen. Britta erhob sich voller Angst.
    »Komm mit Onkel Kolja. Du sagen Onkel Kolja!«
    »Ja, Onkel Kolja.«
    Er nahm wieder ihren Ellenbogen und führte sie hinaus auf den
    Gang. Sie war sich sehr stark ihrer Nacktheit unter dem Bademantel bewußt. Ihr war auch klar, daß es sich hier um eine Inszenierung handelte, in der sie eine Rolle zu spielen hatte. Eine schreckliche Rolle?
    Der unheimliche Onkel führte sie in einen Raum mit dunklem
    Mobiliar, viel geschnitztem Holz, sehr schweren Möbeln. Unter einem gewaltigen Tisch lag auf dem blanken Parkett ein naturfarbener Teppich. Fünf hohe Fenster gingen in einer Front auf einen
    Park hinaus. Sie waren ohne Gardinen. Britta sah Baumwipfel und etwas Himmel.
    Vor allem aber war da der Hund. Eine gelbe Dogge. Sie erhob
    sich geschmeidig vom Boden zwischen zwei Fenstern, wie ent-
    schlossen zu Sprung und Angriff. Doch auf eine Handbewegung
    ihres Herrn hin ließ sie sich wieder auf dem Boden nieder.
    An der Wand gegenüber der Fensterfront stand als einziges Mö-
    bel ein sehr breites Bett, bedeckt mit einer braunen Felldecke. An der Wand dahinter war an einem Haken mit einem goldblanken
    Kettchen eine Gerte aufgehängt, auf die der Alte nun gebieterisch zeigte, während er Britta mit einem Ruck den Bademantel abnahm
    und sie sich beeilte, den Knoten des Gürtels gleichzeitig zu lösen.
    »Nehmen!«
    Britta fühlte sich einen Augenblick lang wie eine Zuschauerin der merkwürdigen Szene, doch kroch sie über die Bettdecke auf die
    Gerte zu, nahm sie herunter und ließ sie sich von dem Alten aus der Hand nehmen. Er schlug sofort zu, nicht sehr hart, aber schnell und ausdauernd. Britta sank flach auf das Fell. Stärker als den sich steigernden, zunehmend brennenden Schmerz empfand

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