Der Tote im Grandhotel
wandte sie sich an Britta:
»›Seafood Murmansk‹ ist eine internationale Firma. Hast du das
Schild neben der Einfahrt gesehen? Im- und Export. Kaviar, Fisch-konserven, Muscheln, Getränke. Aber auch Videos und Video-
Clips. Onkel Kolja will einen Clip mit uns beiden machen. Okay?«
Britta nickte, von schlimmen Vorahnungen erfüllt. Kurz darauf
gingen sie alle nach oben, in Onkel Koljas Schlafzimmer.
Tatjana zog ihren Mantel aus. Sie trug ein strammes schwarzes
Mieder darunter, das ihren Busen und den Po freiließ. Sie half Britta aus ihrem Anzug und lächelte, als sie sah, daß sie nichts darunter anhatte.
Eine Kamera war aufgebaut, hinter die Vlado sich nun stellte. Alles lief routiniert ab. Ehe sie sich versah, hatte Tatjana Britta eine schwarze Maske über den Kopf gestreift. Und sie legte ihr ein Hals-band um. An einer Leine konnte man die Haltung ihres Oberkör-
pers korrigieren.
Britta konnte durch Augenschlitze sehen. Ihr Mund blieb frei.
Tatjana führte sie zu Onkel Koljas Bett, mit dem Britta schon Be-kanntschaft hatte machen müssen, und nötigte sie auf die Felldecke.
Die gelbe Dogge verließ ihren Fensterplatz und sprang auf das
Bett.
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Tatjana nahm Ketten aus einer Eisentruhe und befahl Britta, die Arme auszustrecken, wie am Kreuz. Britta schüttelte den Kopf, versuchte sich vornüber zu neigen. Instinktiv leistete sie Widerstand.
Sie merkte, daß die Kamera bereits lief.
Der Schmerz traf sie unvermittelt. Tatjana hatte mit einer Stahlrute zugeschlagen. Britta schrie auf. Tränen schossen in ihre Augen.
Tatjana bedeutete ihr, sich gerade aufzusetzen, mit dem Rücken
dicht an den Betthimmel gelehnt.
Britta wagte nicht, an sich hinunterzusehen, aber sie war sicher, daß sie aus einer Wunde quer über Brust und Bauch blutete.
Tatjana spreizte Brittas Beine und befestigte mit Riemen eine Art Balken zwischen den Fesseln. Dann schob sie nacheinander eine
Mohrrübe, eine Gurke und etwas sehr schmerzhaft Stacheliges ein, trat jedesmal zurück, um der Kamera das Schußfeld freizugeben,
während Britta wimmerte und heulte. Die Tränen suppten hinter
ihrer Maske, sie begann zu betteln, sie möchten aufhören.
Aber Onkel Kolja hatte sich ein Gewand mit Kapuze übergewor-
fen, wie vom Ku-Klux-Klan sah er aus. Wie einer dieser Menschen in Amerika, die ihre Opfer kreuzigten und verbrannten.
Mit schwindenden Sinnen spürte sie mehrmals den Hieb der
Stahlrute. Dann zog sich Onkel Kolja zurück. Tatjana ergriff Brittas linke Brustwarze und stach eine dicke Nadel von oben nach unten hindurch.
Britta mußte ohnmächtig geworden sein, denn als sie erwachte,
trug sie keine Maske mehr. Vlado verließ gerade den Raum. Von
Onkel Kolja war nichts mehr zu sehen. Der Hund lag ganz still in ihrer Nähe und betrachtete sie aufmerksam.
Es tat immer noch furchtbar weh, während Tatjana das Folterins-
trument zwischen ihren Beinen entfernte und die Fesseln löste.
»Guter Film«, murmelte sie. Sie wirkte jetzt freundlich und fürsorglich. Juri erschien mit einem kleinen Teewagen. Tatjana legte eiskalte Kompressen auf die Wunden und hielt Britta ein Tuch un-89
ter die Nase, das stark nach Kampfer roch und Britta in einen leichten Dämmerzustand versetzte.
Dann gab Juri ihr eine Spritze in den Arm. Er ging dabei so routiniert vor, daß Britta sicher war: Dies war hier nicht zum erstenmal geschehen.
Aber mir ist es zum erstenmal passiert, und sie werden es wieder tun. Mich quälen, mich filmen, bis ich tot bin. Wie nennt man
diese Filme, in denen das Opfer wirklich getötet wird? Splash? Nein
… egal. Ich bin ihnen ins Netz gegangen. Niemand vermißt mich.
In meiner Firma bedeutet ein Telefongirl gar nichts. Lizzi wird sich meinetwegen auch nicht extra anstrengen. Sie denkt, ich hätte in Europa etwas Besseres gefunden. Und sie meidet die Polizei, wohl aus gutem Grund.
Und Richard? Nein, nur keine Illusionen. Männer lieben süße,
sinnliche und anwesende Frauen. Er wird nichts sagen, damit seine Frau nichts erfährt.
Mehrmals kämpfte sie gegen eine Ohnmacht an. Sie wollte sich
ausruhen. Pläne machen. Das in die Tat umsetzen, was sie nun ganz und gar erfüllte und bewegte: Ich will hier raus!
Juri nahm sie auf die Arme und trug sie in ihr Zimmer zurück.
Wie ein Bräutigam die Braut über die Schwelle trägt, dachte sie. Ob er ihr helfen würde, wenn sie ihn anflehte? Gewiß nicht. Er war ein Zombie. Ein Roboter. Vielleicht hatten sie ihm die Seele ausgetrie-ben?
Er legte sie vorsichtig
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