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Der Tote im Grandhotel

Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Bellin
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können, daß er junge Frau-
    en schlug und mit glühenden Zigaretten folterte.
    Er war einer von ihnen. Vielleicht sogar in führender Position.
    Britta konnte es kaum fassen: Sie war in den Händen einer östlichen Mafia. Die Zeitungen waren ja voll davon. Morde und Spreng-85
    stoffattentate in Berlin wurden kriminellen Russen zugeschrieben, die nach der Wende eingeströmt waren.
    Im allgemeinen machten sie wohl die Fehden unter sich aus: Prostitution, Rauschgift, Waffen, Schutzgeld, Ikonenschmuggel. Aber sie hatte sich naiv in die Schußlinie begeben.
    Jeden Augenblick erwartete sie den schönen Vlado. Sie fürchtete und erhoffte sein Erscheinen in einem Atemzug. Würde er sie wieder quälen? Schlimmer als das letztemal? Behandeln wie ein Stück Dreck?
    Nun, sie war gebadet, gekämmt, sie roch nicht übel. Ihr Selbst-
    bewußtsein hatte sich gehoben. Trotzdem erschien ihr dieser Vlado als die bedrohlichste Figur überhaupt. Onkel Kolja, nun ja, es war nicht das erstemal gewesen, daß Britta an einen Mann mit merkwürdigen Sexpraktiken geraten war. Die Klinke wurde herunterge-
    drückt. Ihr brach der Schweiß aus. Aber es war Juri.
    »Frau, komm.«
    »Frau, komm«, das hatten, wie sie von ihrer Mutter wußte, nach
    dem letzten Weltkrieg russische Soldaten gesagt. Es war die Einlei-tung zu einer Vergewaltigung gewesen.
    Und jetzt? O Gott, und jetzt?
    Juri stieg vor ihr die Treppe hinunter, sie folgte mit weichen
    Knien. Er wandte sich nach rechts und öffnete eine Tür. Dort sa-
    ßen Onkel Kolja und der schöne Vlado nahe beim Fenster am ge-
    deckten Frühstückstisch. Sonne fiel auf Geschirr mit weißblauem Zwiebelmuster.
    Onkel Kolja streckte ihr die Hand entgegen. Vlado lüftete gar den Hintern ein wenig. Onkel Kolja wies auf einen Stuhl. Britta setzte sich vor ein Frühstücksgedeck.
    Es gab Brötchen und Brot auf einer Platte, Butter im auseinander-gefalteten Papier, Marmelade und Honig in etwas verklebten Glä-
    sern, Wurst und Schinken und eine Schüssel mit Rühreiern sowie
    Kaffee und Tee.
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    Eine Flasche Wodka stand auf dem Tisch. Auch neben ihrer Kaf-
    feetasse entdeckte Britta ein Wasserglas, in das nun Onkel Kolja, der gütig lächelnd sein Wolfsgebiß enthüllte, einen tüchtigen Schuß einschenkte.
    Ihr gingen Filmszenen durch den Kopf, in denen Opfer vergiftet
    oder durch Drogen gefügig gemacht wurden. Doch was sollte sie
    tun?
    Sie hob ihr Glas, Onkel Kolja und Vlado hoben ihre Gläser. Sie
    lächelten beide, und so lächelte sie auch. Sie tranken einander zu, was für eine Farce, ein Hohn auf echte Geselligkeit.
    Der Alkohol rann eiskalt ihre Kehle hinunter und kam deutlich
    im Magen an. Ihr wurde warm. Die Welt sah freundlicher aus.
    »Essen!« ermunterte Onkel Kolja sie, und sie griff zu. Wenn sie das hier überhaupt durchstehen wollte, mußte sie etwas Kräftiges im Magen haben. Ihr Kopf fühlte sich angenehm benebelt an. Alles war ein Abenteuer, die Welt eine große Party. So mußte man es
    betrachten.
    Sie sah sich um, während die beiden Männer miteinander rede-
    ten, mit vielen Zischlauten und rollendem Rrr, der Ton im Rachen angesetzt. ›Seafood Murmansk‹, natürlich, Seafood war englisch, aber Murmansk war ein russischer Hafen.
    Vielleicht hatten diese Leute wirklich einen Großhandel, und der alte Onkel mit seinem gelben Köter war einfach ein perverser Greis, der sie zu seiner Unterhaltung ins Haus geholt hatte? Sie ver-scheuchte das Bild des Toten im Hotel und auch die Erinnerung
    an Vlados Foltermethoden und lächelte ihn versuchsweise an.
    Er lächelte zurück. Etwas später sagte er ihr, sie wollten ›noch ein paar Bilderchen‹ machen.
    »Wir warten noch auf Tatjana.«
    Einige Minuten später erschien Tatjana. Sie sah gut aus, mit ebenmäßigen, harten Zügen, mochte um die Vierzig sein. Das schwarze Haar hatte sie nach Art vieler Models ganz straff zurückgekämmt 87
    und im Nacken zu einem Knoten geschlungen. Eine eisige Madon-
    na in Weiß. Sie trug einen Bademantel, wie ihn Britta ebenfalls in ihrem Zimmer hatte.
    War diese Tatjana, die ihr ernst die Hand gab, vielleicht gleichfalls eine Gefangene? Nein, dafür wirkte sie zu selbstsicher und vertraut mit den beiden Männern, die sie gar nicht beachtete. Vielleicht hatten sich die drei schon vorher gesehen?
    Tatjana sprach Russisch. Sie trank gleichfalls Wodka, danach Tee, aß aber nichts, sondern rauchte in kurzen Abständen zwei Zigaretten, während sie mit durchdringender Altstimme ziemlich viel redete. Überraschend

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