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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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Augen.
    »Er ist ja so süß«, sagte sie und strich Erik vorsichtig mit der Hand über die dünnen Locken.
    Ihr Vater sagte nichts, brummte jedoch, was Ann als Zustimmung wertete.
    »Der Schinken hat zu lange gekocht«, sagte sie und brach mit ihren Worten den Zauber. Besser, sie rückte gleich damit heraus.
    »Wieviel Grad?« fragte ihre Mutter.
    »Neunzig«, antwortete Ann und verließ das Kinderzimmer.
    »Neunzig«, wiederholte ihre Mutter.
    »Erik hat die ganze Zeit geschrien, und ich habe den Schinken vergessen. Ich glaube, er hat Koliken.«
    »Schreit er oft?«
    »Doch, schon«, antwortete Ann, »aber meistens nachts.«
    Sie ging in die Küche, und ihr kam alles verkehrt vor. Sie starrte den Schinken an, der zu einem schmutziggrauen Klumpen zusammengeschrumpft war. Der Geruch, den er verströmte, ließ sie zurückschrecken. Sie hörte, daß ihre Mutter noch immer bei Erik war. Ihr Vater hatte sich dagegen bestimmt ins Wohnzimmer gesetzt. Sie selber hätte jetzt anfangen sollen, die Eßsachen auszupacken, die ihre Eltern mitgebracht hatten, und entzückte Ausrufe über Sülzen, Heringssalat, selbstgemachte Pastete und eingelegte Heringe von sich geben müssen, aber sie schaffte es einfach nicht.
    »Ich muß noch mal los«, rief sie und ging in den Flur.
    Ihre Mutter verließ augenblicklich Eriks Zimmer, blieb im Türrahmen stehen und sah sie fragend an.
    »Los?«
    »Ich muß noch mal raus. Wenn Erik wach wird, füttere ihn mit etwas Brei. Auf der Spüle steht ein Paket.«
    »Du willst weg, obwohl wir gerade erst angekommen sind?«
    »Ich bleibe nicht lange. Vielleicht kann ich einen neuen Schinken kaufen. Fehlt sonst noch was?«
    Ihre Mutter war verletzt, aber auch besorgt.
    »Ist es die Arbeit?«
    Sie kannte ihre Tochter in- und auswendig.
    »Nicht direkt«, antwortete Ann ausweichend und zog den Mantel an. Sie gab vor, kurz über etwas nachzudenken, und versuchte ihre Flucht mit einer freundlichen Bemerkung zu überspielen, aber ihr fiel keine ein. Statt dessen lächelte sie ihre Mutter halbherzig an und öffnete die Wohnungstür.
    »Gib ihm nur einen Teller«, sagte sie halb abgewandt.
    »Wenn man ihm mehr gibt, bekommt er Bauchschmerzen. Du kannst auch noch ein Stück Banane reindrücken«, fügte sie hinzu und war weg.
     
    Lindell rief auf der Stelle Haver an, aber er meldete sich nicht. Sie sah auf die Uhr und beschloß, zu Saganders Werkstatt zu fahren. Vielleicht war er noch da.
    Als sie ankam, war von dem Gebäude nicht mehr viel übrig. Der älteste Teil, aus Holz erbaut, war völlig verschwunden. Ansonsten standen nur noch zwei verrußte Seitenwände und ein Giebel. Der übriggebliebene Schnee rundherum war nicht mehr weiß, sondern mit einer dicken Rußschicht bedeckt. Die Löscharbeiten waren noch nicht endgültig abgeschlossen, aber es waren keine offenen Flammen mehr zu sehen.
    Sie schaute sich suchend nach Ola Haver um. Erst glaubte sie, er wäre bereits weggefahren, doch als sie schon verzagen wollte, erblickte sie ihn.
    Sie ging zu ihm. Er hatte sie nicht bemerkt und unterhielt sich mit dem Brandmeister, den Ann von einem früheren Einsatz her kannte. Er nickte ihr über Havers Schulter hinweg zu, und Ola drehte sich um. Er lachte, als er sie sah.
    »Sieh einer an, du konntest es also nicht bleibenlassen.«
    »Meine Eltern kümmern sich um Erik. Hast du etwas von Justus gehört?«
    Haver schüttelte den Kopf. Er beendete das Gespräch mit dem Feuerwehrmann, der Lindell amüsiert betrachtete.
    »Wir haben Sagander angerufen. Wir dachten, er würde herkommen wollen, aber er liegt zu Hause und ist außer Gefecht.«
    »Wieso außer Gefecht?«
    »Er ist offenbar erst kürzlich operiert worden, und die Wunde hat sich entzündet«, sagte Haver und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, so daß Lindell dachte, ihm täte etwas weh.
    »Was ist los?« fragte sie und legte ihre Hand auf seine Schulter.
    »Die Krücke«, sagte er nur. »Ich wußte doch, daß da was war. Das Krankenhaus«, fügte er hinzu, als wäre damit alles hinreichend erklärt.
    »Erzähl«, forderte Lindell ihn auf.
    Sie hatte diesen Blick auch früher bei Haver gesehen und begriff deshalb, daß ihm etwas sehr Wichtiges eingefallen sein mußte. Er zog sie etwas zur Seite. Sein Griff um ihren Arm gefiel ihr.
    »Sagander ist vor kurzem operiert worden, mit Sicherheit in der Uniklinik. Das Messer ist aus einem Pickup auf dem Parkdeck der Uniklinik gestohlen worden. Vielleicht fährt er ja ein solches Auto. Ist er vielleicht ›der

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