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Der Tote im Schnee

Der Tote im Schnee

Titel: Der Tote im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Eriksson
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Reserviertheit, um nicht zu sagen Abscheu, aber auch Neugier.
    »Können wir uns ein bißchen unterhalten?«
    Er nickte und sie setzte sich auf den Schreibtischstuhl. Justus schaute sie eindringlich an.
    »Wie geht es dir?«
    Der Junge zuckte mit den Schultern.
    »Weißt du etwas, das eine Erklärung für den Tod deines Vaters sein könnte?«
    »Was sollte das sein?«
    »Etwas, das er gesagt hat, und das du damals für nicht so wichtig hieltest, was aber vielleicht doch wichtig war. Zum Beispiel über einen Freund, den er bescheuert fand oder etwas anderes.«
    »Er hat nichts in der Art gesagt.«
    »Manchmal wollen Erwachsene etwas erzählen, bekommen es aber nicht richtig raus, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Beatrice verstummte und ließ ihm etwas Zeit. Sie stand auf und schloß die Tür, ehe sie weitersprach.
    »Hat er dir manchmal Geld gegeben?«
    »Ich bekomme Taschengeld.«
    »Wieviel?«
    »Fünfhundert Kronen im Monat.«
    »Kommst du damit aus? Was kaufst du dir davon?«
    »Klamotten und CDs, vielleicht auch mal ein Spiel.«
    »Hast du manchmal mehr bekommen?«
    »Ja, wenn ich was brauchte und meine Eltern es sich leisten konnten.«
    »Hast du im Herbst mehr bekommen? Hattest du das Gefühl, daß dein Vater mehr Geld als sonst hatte?«
    »Ich weiß, worauf Sie hinauswollen. Sie glauben, daß Papa irgendwo Geld gestohlen hat, aber er hat Geld verdient wie alle anderen.«
    »Er war arbeitslos.«
    »Das weiß ich auch. Dieser Sagge hat alles kaputtgemacht, weil er nicht kapiert hat, daß Papa der beste Schweißer weit und breit war.«
    »Hast du ihn mal in der Werkstatt besucht?«
    »Ab und zu.«
    »Kannst du schweißen?«
    »Das ist sauschwer«, sagte Justus mit Nachdruck.
    »Hast du es probiert?«
    Er nickte.
    »Sagge hat alles kaputtgemacht, wie hast du das gemeint?«
    »Papa ist doch arbeitslos geworden.«
    »Hat er sich Sorgen gemacht?«
    »Er wurde …«
    »Wütend?«
    Erneutes Nicken.
    »Worüber habt ihr euch denn so unterhalten?«
    »Über Fische.«
    »Ich verstehe überhaupt nichts von Zierfischen, und ich habe noch nie ein so großes Aquarium gesehen.«
    »Es ist das größte in der ganzen Stadt. Papa hatte unheimlich viel Ahnung. Er hat anderen Leuten Fische verkauft, und manchmal ist er verreist, um Vorträge über Buntbarsche zu halten.«
    »Wo ist er dann hingefahren?«
    »Zu Versammlungen. Es gibt einen Verein für alle in Schweden, die Buntbarsche züchten.«
    »Ist er denn viel gereist?«
    »Nächstes Jahr sollte er nach Malmö fahren. Letztes Frühjahr war er in Göteborg.«
    »Kümmerst du dich jetzt um das Aquarium?«
    »Papa hat mir alles gezeigt.«
    »Du bist in der achten. Was willst du später mal machen?«
    Beatrice erkannte sofort, daß es ein Fehler gewesen war, das Gespräch auf die Schule zu bringen. Die Miene des Jungen veränderte sich augenblicklich. Er zuckte mit den Schultern.
    »Vielleicht kannst du ja mit Aquarien arbeiten.«
    »Vielleicht.«
    »Hat John nie daran gedacht, sich eine Arbeit mit Aquarien und Fischen zu suchen?«
    Der Junge schwieg. Sein anfänglich widerspenstiges Verhalten war einer passiven Traurigkeit gewichen. Die Gedanken an seinen Vater schossen heran wie schwere Stämme, die in einem viel zu engen Flußbett auf einen Damm zutrieben. Beatrice drängte ihn weiter, wollte aber nicht, daß er zusammenbrach. Ihre Erfahrung sagte ihr, daß dies später zu weitaus schlimmeren Blockaden führen könnte. Im Moment wollte sie Kontakt zu ihm bekommen, sein Vertrauen gewinnen. Jeden Stamm einzeln vorschieben.
    »Wenn ich was über Aquarien wissen möchte, kann ich mich dann an dich wenden? Als Polizistin und Mutter wird man oft mit einer Menge Fragen konfrontiert, verstehst du. Man kann nicht alles wissen.«
    Justus sah auf und beobachtete sie mit einem Blick, dem sie nur mit Mühe standhalten konnte. Der Junge sah zu klug aus, so als hätte er sie durchschaut.
    »Fragen Sie ruhig«, meinte er schließlich und sah fort.
    Sie stand auf und öffnete die Tür.
    »Eins sollst du jedenfalls wissen«, sagte sie, ehe sie ihn allein ließ, »alle, mit denen wir gesprochen haben, hatten nur Gutes über deinen Vater zu sagen.«
    Er schaute ihr hinterher, als sie die Tür schloß.

25
    Ola Haver verließ das Polizeipräsidium in bedrückter Stimmung. Auf dem Weg ins Freie hatte er den traditionellen Weihnachtsgruß des Polizeichefs gelesen. Mehrere Kollegen hatten sich am schwarzen Brett versammelt. Einige von ihnen hatten bissige und sarkastische Bemerkungen gemacht,

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