Der Tote in der Wäschetruhe
hinunter in die elterliche Wohnung. Der Mutter, die gerade beim Wäschewaschen ist, fällt auf, dass ihr Junge ungewöhnlich blass ist. »Ist dir nicht gut? Willst du dich hinlegen«, fragt sie besorgt. Falk wiegelt ab: »Wieso blass? Mit mir ist nichts.« Die Mutter verlangt nach seinen Sachen, um sie mit in die Waschmaschine zu stecken. Beim Ausziehen bemerkt Falk die Lohntüte mit den 130 Mark in der Gesäßtasche. Die hatte er glatt vergessen. Heimlich nimmt er sie heraus und wirft der Mutter Hose und Hemd zu. Das Geld versteckt er in einem Lüftungsschacht des Hauses, die Lohntüte wandert in den Müllcontainer.
Falk besucht einen Freund, mit dem er kurze Zeit an dessen Fahrrad bastelt . Später nimmt er sich das Minirad seiner Mutter und fährt in ein Waldstück am Ortsausgang von Hoyerswerda. Er will einen Strommast erklimmen und sich das Leben nehmen. Aber Falk Grunde ist zu feige.
Als er wieder daheim eintrifft, ist im Haus der Teufel los. Karsten Bellmann hat seine Schwester gefunden und die Polizei verständigt. Kriminaltechniker sichern die Spuren in der Wohnung, die Ermittler der Hoyerswerdaer Kripo und der Cottbuser MUK befragen die Hausbewohner. Auch Falk Grunde muss erklären, wo er in der Zeit zwischen 12 und 13 Uhr war. Denn der Tatzeitraum ist eingegrenzt. Um 12.30 Uhr hatte sich Carola von Freundinnen vor der Haustür verabschiedet, um 12.50 Uhr hat Karsten Bellmann seine Schwester gefunden. »Ich habe Carola im Haus getroffen und bin mit ihr kurz rauf gegangen, weil sie mir ein Bild zeigen sollte. Dann bin ich sofort wieder runter. Mehr weiß ich nicht«, erzählt er den Kriminalisten. Mit der Lüge will er vorbeugen, falls doch Spuren von ihm an Carola oder in der Wohnung gesichert werden. Und in der Tat gibt es solche. In Falks Schuhen entdecken die Kripo-Experten zwei Glaspartikel, die von der verzierten Flasche stammen, mit der Grunde auf sein Opfer eingeschlagen hatte. Das Licht bricht sich in den Splittern auf die gleiche Weise wie im Glas der Flasche. An seiner Jeansjacke finden sich vier Polyesterfasern, die eindeutig von Carolas Blouson stammen.
Falk Grunde wird verhaftet und in die Untersuchungshaftanstalt nach Cottbus gebracht. Sechs Tage nach der Tat legt er ein umfassendes Geständnis ab und gibt auch die zuvor begangenen Straftaten zu, die der Polizei zum Teil unbekannt sind.
Die Staatsanwaltschaft klagt im November 1984 den zur Tatzeit 15-jährigen Schüler wegen Mordes, schwerer Körperverletzung, versuchter Vergewaltigung, Rowdytums und mehrfachen Diebstahls an. Bei der gerichtspsychologischen Untersuchung an der Medizinischen Akademie in Dresden stellen die Gutachter fest, dass Falk Grunde zwar in seiner Persönlichkeit-Entwicklung
zurückgeblieben ist, jedoch mindestens die Reife eines 14-Jährigen besitzt und damit für seine Taten voll verantwortlich ist.
Der erste Strafsenat des Bezirksgerichtes Cottbus verhandelt im Dezember 1984 den Fall. Es verurteilt Falk Grunde wegen Mordes und der weiteren angeklagten Straftaten zu 15 Jahren Freiheitsentzug. Das Gericht sieht keine Möglichkeit, die Höchststrafe abzumildern. Die ungünstigen Bedingungen in der Familie hätten keinerlei Beziehungen zu dem Verbrechen, heißt es dazu in der Urteilsbegründung. »Rohheit und Brutalität hat der Angeklagte im Elternhaus nicht erfahren.«
Diese Auffassung teilt das Oberste Gericht nicht. Es erkennt zwar auch, dass der Angeklagte kaltblütig und brutal das Leben der 14-jährigen Carola Bellmann ausgelöscht und unendliches Leid über die ganze Familie gebracht hat. Carolas Vater beispielsweise ist wochenlang in ärztlicher Behandlung und wegen Arbeitsunfähigkeit krankgeschrieben. Dennoch müsse die schwere Kindheit von Falk Grunde berücksichtigt werden. Das Oberste Gericht reduziert die Strafe um ein Jahr auf 14 Jahre. Bereits Ende Dezember 1990 wird der inzwischen 22 Jahre alte Grunde zur Bewährung aus der Haft entlassen. Grundlage der Entscheidung ist das mildere Jugendstrafrecht der BRD, das gemäß Einigungsvertrag anzuwenden ist.
Fünf Jahre nach der Haftentlassung wird Falk Grundmann erneut straffällig. Im Juni 1995 wird er wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Nach Verbüßung der Strafe zieht Grunde in das Bundesland Niedersachsen.
UNGLEICHE BRÜDER
»Gut, dass es die Fischers gibt«, freut sich der 16-jährige Lutz Kunze im August 1980. Wie so oft seit er Judith kennt, sitzt er mit der Freundin im Wohnzimmer der Fischers auf
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