Der tote Raumfahrer
Diese Bemerkung beinhaltete ein Versprechen. Und ich halte meine Versprechen immer.«
Während der nächsten zwei Wochen arbeitete Hunt wie ein Besessener. Er organisierte die Tätigkeit von Gruppe L neu und traf seine eigenen persönlichen Vorbereitungen für eine längere Abwesenheit von der Erde. Danach wurde er für zwei Wochen nach Galveston geschickt.
In den dreißiger Jahren des einundzwanzigsten Jahrhunderts konnten bei jedem angesehenen Reisebüro kommerzi-elle Flugreservierungen zum Mond gebucht werden, entweder für Plätze auf regulären UNWO-Schiffen oder auf gecharterten Schiffen, deren Besatzung aus UNWO-Offi-zieren bestand. Der Komfortstand, der auf Passagierflügen geboten wurde, war hoch und die Unterbringung in den größeren Mondbasen angenehm. Dadurch wurden Reisen zum Mond im Leben vieler Geschäftsleute zur Routine und für mehr als nur ein paar gelegentliche Besucher zu einem denkwürdigen Ereignis. Niemand von ihnen benötigte eine spezielle Vorbereitung oder Fachkenntnisse. Ein aus einer Hotelkette, einer internationalen Fluglinie, einem Reiseun-ternehmen und einer Baugesellschaft bestehendes Unter-nehmenskonsortium hatte sogar mit dem Bau einer Ferien-anlage auf dem Mond begonnen, die für die beginnende Saison bereits voll ausgebucht war.
Orte wie Jupiter jedoch waren für die Öffentlichkeit noch nicht zugänglich. Personen, die für Aufgaben im Zusammenhang mit den UNWO-Fernraumunternehmen vorgesehen waren, mußten wissen, auf was sie sich einlie-
ßen und wie sie in Notfällen zu handeln hatten. Die Eiswü-sten von Ganymed und die Dampfkessel der Venus eigne-ten sich nicht für Touristen.
In Galveston lernte Hunt mit UNWO-Raumanzügen und den Standard-Bauteilen der Hilfsausstattung umzugehen.
Er wurde im Gebrauch von Kommunikationsanlagen, Überlebensausrüstungen, Not-Lebenserhaltungssystemen und Reparatursätzen unterwiesen. Er übte sich an Routine-tests, Funkortungsverfahren und Techniken zur Diagnosti-zierung von Ausrüstungsfehlfunktionen. »Ihr Leben könnte von diesem kleinen Kasten abhängen«, teilte der Instrukteur der Gruppe mit. »Sie könnten in eine Situation geraten, in der er versagt. Und die einzige Person im Umkreis von hundertfünfzig Kilometern, die ihn wieder in Ordnung bringen kann, sind Sie.« Ärzte hielten Vorträge über die Grundlagen der Raummedizin und empfahlen Methoden, mit denen man Kohlendioxydübersättigung, Dekompression, Hitzschlag und Hypothermie begegnen konnte. Phy-siologen beschrieben, welche Auswirkungen längere Perioden reduzierten Körpergewichts auf das Kalzium der Knochen hatten, und zeigten, wie man ein richtiges Gleichgewicht durch speziell zusammengestellte Nahrung und Arzneimittel aufrechterhalten konnte. UNWO-Offiziere gaben weitere nützliche Hinweise; sie umfaßten die ganze Bandbreite dessen, wie man in einer fremden Umwelt bei Verstand und am Leben blieb, und reichten von dem Problem, wie man sich zu Fuß auf einer lebensfeindlichen Welt durch die Nutzung von Satellitensignalen als Bezugs-punkte zurechtfand, bis hin zu der Frage, wie man sich bei Nullgravitation das Gesicht wusch.
Gut vier Wochen nachdem er die Direktive von Caldwell erhalten hatte, fand sich Hunt bei der Startbasis Zwölf des Terminalkomplexes Nummer zwei wieder, fünfzehn Meter unter der Erde und dreißig Kilometer außerhalb von Houston. Er schritt über eine der Zugangsrampen, die die Hülle des Startsilos mit der schimmernden Außenhaut der Wega-
Fähre verbanden. Eine Stunde später schoben die hydrauli-schen Pressen unter der Plattform, die das Heck trug, das Schiff langsam in die Höhe und nach draußen, bis es frei über dem Dach des Gerüstes stand. Innerhalb weniger Minuten raste die Fähre in die dunkle Leere jenseits der Atmosphäre. Dreißig Minuten später dockte sie mit zweiein-halb Sekunden Verspätung an das achthundert Meter durchmessende Transferschiff Kepler .
Mit der Kepler reisten die Passagiere zum Mond: Hunt, drei Triebwerkssystem-Experten, die ganz versessen darauf waren, den vermuteten ganymedischen Gravitationsantrieb zu untersuchen, vier Kommunikationsspezialisten, zwei Statiker und Danchekkers Team, alle dafür ausersehen, an Bord von Jupiter-Fünf zu gehen. Im Mondorbit wechselten sie auf eine der häßlichen und plumpen Mondfähren der Kapella-Klasse über, mit der sie den Rest der Reise von der Erdumlaufbahn bis zur Mondoberfläche zurücklegen würden. Die Reise verlief ruhig und dauerte dreißig Stunden.
Nachdem sie
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