Der Tote trägt Hut
Fotoapparat wegzubringen, aber da er nur ein Sergeant war, hatte sich niemand die Mühe gemacht, ihm die Vorgeschichte oder die Bedeutung dieses Botengangs zu erklären. Er dachte, er bringt nur etwas zurück, was verloren wurde. Er hatte die Nummer immer noch auf einem Zettel in seiner Brieftasche. Die Versuchung, sofort anzurufen, füllte meine Blase mit Begeisterung, aber ich hatte mir schon genug an Beweismitteln zu schaffen gemacht. Um den Sergeant etwas aufzuheitern, ließen wir ihn seine Offenbarung selbst melden. Die Verspätung konnte er auf seine Gehirnerschütterung schieben. Ich dachte, so müsste er sich vielleicht nicht wie ein völliger Versager vorkommen. Ich erklärte ihm, falls man ihn aufgrund dieser neuen Beweise befördern sollte, wollte ich feudal zum Essen eingeladen werden – alles außer Fisch.
Auf dem Heimweg dachte ich über die Ornithologin nach, die eine Woche in unserem hintersten Zimmer verbracht hatte und einen Tag zu früh abgereist war. Außerdem dachte ich an die Frau unseres Postboten, die Nudel-Lady, und mindestens vierzig weitere Frauen aus dem Dorf, die so verkleidet werden konnten, dass sie der Beschreibung von Ming Xi Wu, der Mörderin aus Hongkong, entsprachen. Und ich dachte an meine Nonne und fragte mich, ob irgendjemand die Aussage des Fahrers ernst nehmen würde. Es hatte absolut keinen Sinn mehr, sie als Tatverdächtige ins Auge zu fassen. Das konnte man allerdings nur nach Betrachtung der Fotos verstehen. Ich fürchtete, wir würden die Bilder preisgeben müssen. Ein beschwingter, schwedischer Klingelton riss mich aus meinen Gedanken. Es war Chompu.
»Ist das Ihr Werk?«, fragte er.
»Bitte?«
»Sergeant Phooms Gedächtnisverlust, was die Telefonnummer angeht.«
»Manches spricht sich rum.«
»Der Major hat mich darauf angesetzt, die Nummer zurückzuverfolgen. Der alte Gerichtsbeschluss gegen die Telefongesellschaft hat noch Geltung. Weil die Anruferin ihre Nummer hinterlassen hatte, dachten wir nicht, dass sie mit dem Verbrechen direkt etwas zu tun hat. Wir hatten recht. Es war die Nummer eines Dienstleistungsunternehmens namens uRinguist.«
»Was hat das mit dem verlorenen Fotoapparat zu tun?«
»Nun, ich habe die Nummer noch nicht angerufen, aber ich habe mir deren Website angesehen. Anscheinend blüht deren Geschäft mit Übersetzungen und Dolmetschern. Ein Geschäftsmann kommt aus Übersee und muss einem – sagen wir – thailändischen Fabrikbesitzer eine Nachricht zukommen lassen. Er ruft uRinguist an und hinterlässt eine Nachricht in seiner Sprache, die daraufhin ins Thailändische übersetzt wird. Dann ruft ein thailändischer Muttersprachler den Fabrikbesitzer an, agiert als Assistent des Besuchers und übermittelt die Nachricht. Falls es eine Antwort gibt, dreht sich der Vorgang um, und der fremde Geschäftsmann bekommt die Antwort in seiner eigenen Sprache. Dadurch steigt der Besucher ein wenig in seinem Status. Es ist eine dieser genialen Ideen, auf die man gern selbst gekommen wäre.«
»Sie sagen also, Sergeant Phoom wurde von einem Auftragsdienst angerufen?«
»Ja. Die haben die Nachricht nur vorgelesen. ›Hallo, ich rufe an im Auftrag von …‹ et cetera pp.«
»Und er hat den Auftragsdienst zurückgerufen.«
»So scheint es. Dort hat man die Antwort übersetzt und der Mörderin vermutlich eine SMS in ihrer Sprache geschickt, dass der Fotoapparat auf dem Weg nach Lang Suan war. Auf diesen Augenblick hat sie lange gewartet. Ich fürchte nur, ich muss den Richter wieder mit Hundeaugen ansehen, um einen Blick in die Akten von uRinguist werfen zu dürfen. Es ist ein vertraulicher Auftragsdienst. Und das alles wird bis morgen früh warten müssen, weil kein Richter, der etwas auf sich hält, am Sonntag arbeitet. Und ich habe nicht mal einen Kundennamen, den ich ihm geben könnte.«
»Die Verbindung mit Hongkong war falsch?«
»Überraschung! Keine der Angaben, die der Autovermietung geschickt wurden, stimmte. Wir haben keine Ahnung, wie sie wirklich heißt, aber wir wissen doch etwas über sie.«
»Schockieren Sie mich.«
»uRinguist hat keine chinesischen Dolmetscher. Die arbeiten nur mit drei Sprachen: Thai, Englisch und … Japanisch.«
Kapitel 16
»Seit nunmehr anderthalb Jahrhunderten bilden Amerika und Japan eines der großen, verlässlichen Bündnisse moderner Zeiten.«
George W. Bush
Tokio, 18. Februar 2002
M ika Mikata.«
»Das ist aber kein typisch südkalifornischer Name, oder?«, sagte ich. »Mexiko
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