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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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vielleicht?«
    »Japan.«
    Ich merkte, dass Sissi gestresst war, wenn sie keine Lust hatte, auf meine Scherze einzugehen. An solchen Tagen blieb man lieber ernst.
    »Und was hat sie in den Staaten gemacht?«
    »Sie bekam ein Kunststipendium vom East-West Center. Sie hatte ein Jahr, ihren künstlerischen Neigungen nachzugehen.«
    »Die darin bestanden, überfahrene Tiere zu fotografieren?«
    »Verkleidete, überfahrene Tiere. Sonnenbrille. Bermudashorts. Kleine Schürzen.«
    »Und Hüte?«
    »Und Partyhütchen – bunte.«
    »Hätte hübsche Postkarten gegeben: Tote Tiere tanzen nicht .«
    »Ihre Bilder wurden ausgestellt.«
    »Und so kam dein versoffener Detektiv zu dem Fall?«
    »Nein. Offenbar haben überfahrene Tiere in den Staaten keine Rechte. Man darf sie verkleiden, wie man möchte. Sie hatte gegen kein Gesetz verstoßen. Die Leute waren außer sich, aber du weißt ja, wie es in der Kunst läuft: Je kontroverser du bist, desto berühmter wirst du. Ein Hochglanzmagazin bezeichnete sie als ›Caligula der grenzwertigen Fotografie‹.«
    »Und wie kam der rotnasige Polizist dazu?«
    »Er heißt Gerry Moore. Es gab Beschwerden, dass einige der überfahrenen Tiere noch nicht ganz tot waren, als sie sie verkleidet hat.«
    »Igitt.«
    »Eine Frau warf ihr sogar vor, sie hätte ihre Katze mit dem Motorrad überfahren. Als die Besitzerin raus auf die Straße lief, um nachzusehen, was da für ein Geschrei war, sah sie Mika, die der sterbenden Fluffy gerade ein pinkes Tutu umschnallte.«
    »Hat sie dafür gesessen?«
    »Wir reden hier von Los Angeles in den Achtzigern. Tierquälerei stand da noch nicht weit oben auf der Fahndungsliste. Sie hat ein paar Mal Geldstrafen bekommen, wurde aber mit ihren Diashows immer berühmter.«
    »Und dann ist sie abgetaucht?«
    »Nein. Im Gegenteil. Sie blühte auf. Sie wurde prominent. Sie gilt als Kult und hat nach wie vor eine riesige Fangemeinde. Ihre Website ist zweisprachig, und du rätst nie, wie die Seite heißt.«
    »Wenn das Wort Orange oder Hut drin vorkommt, ist sie die Richtige.«
    »Dressed to Kill.«
    »Das ist nicht dein Ernst.«
    »Mein voller Ernst. Da gibt es Zitate von berühmten bildenden Künstlern, die sie als Genie und Guru bezeichnen. Andy Warhol sagte: ›Ihre visuelle Vorstellung vom Tod ist dermaßen lebendig, dass man sich fragt, ob sie schon mal da war.‹ Ihre Seite wird täglich zwölftausendmal angeklickt.«
    »Du hast sie dir angesehen?«
    »Es ist alles da: die frühe, nostalgische Periode, in der sie hinter ihren Objekten steht und das Peace-Zeichen macht, Elche mit allen vieren von sich gestreckt, gekrönte Krähen, die an Windschutzscheiben kleben, auf dem Rücken liegende Kojoten mit hellblauen Babyschühchen. Dann sind da Bilder von nicht ganz so offensichtlich toten Tieren. Guckt das Opossum etwa in die Kamera? Hat sich die Schlange da im Strumpf nicht eben bewegt? Ich muss zugeben, die Fotos sind spektakulär, aber es dreht sich einem der Magen um. Und dann kommen wir zu den Menschen.«
    »Oha, behalt es lieber für dich.«
    »Ich weiß nicht, wie sie es geschafft hat. Wirklich nicht. Aber sie hatte Zugang zu Leichenschauhäusern. Tote auf Tischen, mit Pudelmützen auf dem Kopf und Papiertröten im Mund.«
    »Nein.«
    »Geringelte Fußballsocken, Boxhandschuhe – Männer in Frauenkleidern.«
    »Das ist doch bestimmt illegal.«
    »Solange nicht jemand seinen Liebsten in Madonnas Kegel-BH wiedererkennt, könnte die Künstlerin immer noch behaupten, es sei gestellt, mit Schauspielern.«
    »Aber das glaubst du nicht?«
    »In Filmen sieht man ständig Schauspieler sterben. Ich habe einen Riecher für schlechte Darsteller. Das waren definitiv Leichen.«
    Ich hatte alles gelesen, was es zum Thema Kriminologie auf Thai und Englisch zu lesen gab. Ich hatte alle Fälle studiert: die berühmten Morde, die notorischen Serienkiller, und immer wieder wurde deutlich, dass die Laufbahn der Mörder oft mit Übungen an Tieren begann. Mika Mikata war vor den Augen der Öffentlichkeit in die Lehre gegangen und ermutigt worden. Gefeiert und bewundert hatte sie sämtliche Stadien durchlebt, und ich wusste, dass nur noch eine Stufe übrig blieb. Ich wusste, dass Mika Mikata entweder eine potenzielle oder eine tatsächliche Mörderin war. Aber es gab keine Verbindung zwischen ihr und unserem ermordeten Abt, und ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wieso sie für ihr gewissenloses Treiben ausgerechnet in unser kleines Dorf im Nirgendwo gekommen sein sollte.
    »So weit

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