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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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geht die Website?«, fragte ich. »Leichen?«
    »Es gibt drei Galerien. Einmal die kostenlose White Gallery, die größtenteils aus schrägem, aber harmlosem Zeug besteht. Dann ist da die kostenpflichtige Black Gallery, in die man relativ einfach reinkommt. Da habe ich die überfahrenen Tiere und die Leichenschauhausbilder gesehen. Aber dann gibt es da noch die Orange Gallery, nur für Mitglieder.«
    »Bingo. Kommst du da rein?«
    »Ist nicht einfach.«
    »Du bist doch die Net-Queen.«
    »Jimm, ich habe schon streng geheime Videokonferenzen zwischen Mitgliedern des amerikanischen Sicherheitsrats belauscht. Ich habe über Skype zugesehen, wie die Queen im Pyjama an ihrem Becher Horlicks nippt. Wenn ich sage, dass etwas nicht einfach ist, dann ist es nicht einfach. Aber ich arbeite dran.«
    »Okay, eine Frage noch. Wie sieht sie aus?«
    »Mika? Auf ihrem Webfoto ist sie hinreißend, aber wir wissen ja beide, was das bedeutet. Wenn ich mir die früheren Fotos ansehe, war sie einigermaßen farblos, aber quirlig. Ich schätze, sie dürfte inzwischen wohl über fünfzig sein und immer noch ihren niedlichen Manga-Love-Doll-Look pflegen.«
    »Hast du eine Ahnung, wie sie heute ohne Airbrush aussehen könnte?«
    » Nong , je mehr Zeit ich mit den Leuten von Web Idol verbringe, desto sicherer bin ich, dass man aus Opa Jah mit drei einfachen Schritten Brad Pitt machen könnte. Möglicherweise ist Mika nur ein graues Mäuschen. Ich vermute, sie hat ein nichtssagendes, asiatisches Gesicht, mit dem man alles machen könnte. Hör zu, ich schick dir das Glamour-Foto und eins von den älteren auf dein Handy.«
    »Danke, Sis. Irgendwas über die anderen Morde?«
    »Du hast mich nach Zeugen für diesen Swimmingpool-Mord auf Guam gefragt. Der Typ, dem sie den Helm orangefarben bemalt haben. Als Toshi ankam, hatte die örtliche Polizei schon alle verhört, aber noch keinen Verdächtigen. Es gab einen möglichen Augenzeugen, den sie aber nicht aufspüren konnten. Einige Ingenieure sagten aus, am Tatort sei eine Reporterin gewesen, die Fotos machte. Sie hatte einen japanischen Presseausweis. Die Männer meinten, sie sei ungewöhnlich schnell vor Ort gewesen.«
    »Hast du eine Beschreibung?«
    »Widersprüchlich, meinte er. Einige hatten sie jung in Erinnerung, andere nicht mehr ganz so jung. Mittellanges Haar. Toshi hat bei der Einwanderungsbehörde nachgefragt. Zu dem Zeitpunkt waren keine japanischen Reporter registriert, und die Tatortfotos sind in keiner Zeitung aufgetaucht.«
    »Was ist mit Taiwan? Du meintest, es könnte sein, dass es da eine Spur gibt.«
    »Detective Wing Shu hat versprochen, in seinen Akten nach dem Vogelhaus-Mord zu suchen. In Badehose sieht er noch viel besser aus.«
    »Tu alles, was nötig ist, Sis.«
    »Jawohl, Ma’am.«
    »Okay, die Bilder sind angekommen.«
    Und da war sie, nett und adrett. In Gedanken ging ich die einzelnen Punkte durch. Mittellanges Haar. Jung oder nicht mehr ganz jung. Dieses nichtssagende, asiatische Gesicht. Man hätte es einem Zeichner unmöglich beschreiben können, weil sie auf dem Bild in der Zeitung wie eine x-beliebige Mutter oder Schwester oder Nachbarin aussah. Es war ein Gesicht, das man vergaß. Mit etwas Aufwand mochte es das leicht geschminkte Gesicht einer Reporterin auf Guam oder das schwer geschminkte Gesicht einer Vogelkundlerin aus Hongkong sein. Man würde sich eher an das schlechte Make-up und die Sonnenbrille erinnern als an den Menschen dahinter. Aber ich war mir sicher, dass ich dieses Gesicht schon einmal ungeschminkt gesehen hatte. Es war abgespannt und fleckig, und mit dem übertriebenen Puder sah es älter aus, als es war. Die graue Perücke hatte die Verkleidung perfekt gemacht, aber ich hatte sie durchschaut, und jetzt begriff ich. Die Augen verraten einen Menschen immer. Ich sah sie in ihrem echten Lacoste-Sportshirt, zwanzigmal so teuer wie eine Kopie aus Bangkok. Es steckte in engen Sporthosen, aus denen ihr Bauch quoll. Sie hatte gelächelt und mein haarsträubendes Koreanisch gelobt, obwohl sie es vermutlich selbst nicht fließend sprach. Deshalb musste sie ausziehen, als die koreanischen Ingenieure im 69 Resort einzogen. Die hätten gemerkt, dass sie keine von ihnen war. Ihre Tarnung wäre aufgeflogen. Ich weiß nicht, wie oder warum, aber meine Instinkte sagten mir laut und deutlich, dass ich Mika Mikata an diesem Tag begegnet war.
    »Sind Sie sicher?«, fragte Chompu.
    »Nein. Aber zählen Sie doch mal alles zusammen. Das 69 Resort liegt zehn Minuten

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