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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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Frisches, Exotisches oder Selbstgemachtes und – was noch entscheidender war – nichts, was man in Yai Yems erheblich größerem Laden einen halben Kilometer die Straße hinunter nicht auch bekam.
    Als Herbergsvater war Arny für die fünf bescheidenen Bungalows zuständig, die auf ein größtenteils ereignisloses Gewässer hinausblickten, und die fünf reetgedeckten Tische, die wir humorig als »Restaurant« bezeichneten. Wenn man die hektischen Songkran-Feiertage im April mitrechnete, hatten wir in diesem Jahr im Schnitt zwei Übernachtungen und acht Restaurantgäste pro Woche gehabt. Unser momentaner Goldesel – ohne jemanden kränken zu wollen – war eine Ornithologin von der Khon-Kaen-Universität, die unsere abgelegenste Hütte für eine ganze Woche gebucht hatte. Sie studierte das Wanderverhalten der Falken und war nicht auf uns aufmerksam geworden, weil wir einen Fünf-Sterne-Service und luxuriöse Zimmer boten, sondern weil wir so nah an einem Sumpf lagen, der den Falken offenbar gut gefiel. Vermutlich sollte ich mich schämen, weil ich ein derart eindimensionales Bild von Ornithologen habe. Unsere Vogelfreundin hatte nichts Blasses, Kurzsichtiges, Versponnenes oder Mütterliches an sich. Sie war ein thailändischer Indiana-Jones-Typ mit engen Safarishorts, muskulösen Beinen, üppigem Haar und einer gewissen Haltung, die mir imponierte. Ich habe keine Ahnung, wo sie aß oder wie sie ihre Tage verbrachte, da sie schon vor dem Morgengrauen ihr Zimmer verließ und erst im Dunkeln wiederkam. Sie hatte im Voraus bezahlt und bescherte uns die ersten richtigen Einnahmen, seit wir hergezogen waren.
    Angesichts solcher Gästezahlen blieb Arny viel Freizeit, und so hatte er sich unten am Wasser aus Strandgut diverse Sportgeräte gebaut. Mit Ölfässern, Autoreifen, Bambusstöcken und großen Steinen. Er jagte Krebse und schwamm, bis die Quallen ihn aus dem Wasser trieben. Es war ein bisschen traurig, ihm zuzusehen, wie er Kokospalmen vom einen Ende des Strands zum anderen rollte, denn wir wussten beide, dass er auf absehbare Zeit an keiner Bodybuilder-Gala mehr teilnehmen würde, wenn überhaupt je wieder. Nach der Schule saßen Teenager – Jungen und Mädchen – in kleinen Gruppen an beiden Enden des Strands, wo Arny kehrtmachte. Sie lächelten und waren freundlich und trieben Small Talk, aber man weiß nicht recht, was man zu jemandem wie Arny sagen soll. Ich hatte so das Gefühl, dass Arny ihnen eher kurios als prominent vorkam.
    Opa Jah war dafür verantwortlich, auf der Bambusplattform gegenüber zu sitzen und unsere armselige Ferienanlage zu beaufsichtigen. Hin und wieder mochten ihn vorbeifahrende Lastwagen und Mopeds und andere alte Männer ablenken, die ihm zunickten, auf die er jedoch nicht reagierte. Vor allem aber saß er stundenlang unter dem Baldachin aus Bananenblättern, in einem seiner korallenweißen Unterhemden, und beaufsichtigte … uns. Falls er einen Plan zur einschneidenden Verbesserung unserer Lage schmiedete, so ließ er uns daran nicht teilhaben.

Kapitel 3
    »Es ist eine Zeit des Kummers und der Trauer, wenn wir den Verlust eines Lebens verlieren.«
    George W. Bush
    Washington, D. C., 21. Dezember 2004
    E inen Tag nach seiner Entdeckung hatten sie den VW-Bus ausgegraben und die Knochen ins Militärkrankenhaus von Prajuab gebracht. Es hieß, die Polizei von Lang Suan, der nächstgelegenen Stadt – ’tschuldigung, hab schon wieder gekichert –, würde den Fall übernehmen. Zwar waren es nur zwanzig Kilometer bis dorthin, doch das durfte ich nicht zulassen. Es war mein Fall, und ich wollte, dass er eine lokale Angelegenheit blieb – günstig mit dem Fahrrad zu erreichen. Viermal hatte ich seit Samstagnachmittag schon im Revier von Pak Nam angerufen, doch man hatte mir nur mitgeteilt, es habe sich in dieser Sache noch nichts weiter ergeben und ich solle mich in Geduld üben. Meine Geduld war am Ende. Ich beherrschte mich und warnte sie vor, dass ich am Sonntag mal reinschauen würde.
    Um zehn Uhr traf ich im Revier von Pak Nam ein. Das Gebäude war der übliche weiße, zweistöckige Betonklotz mit einem breiten Platz davor, eingefasst von Blumenbeeten: entweder ein kleiner, psychologischer Trick, um gewalttätige Verbrecher zu besänftigen, oder ein Zeichen dafür, dass sie sonst nichts zu tun hatten. Der ältere Herr am Tresen – Sergeant Phoom, wie er sagte – strahlte vor ehrlicher Begeisterung, als ich ihm erzählte, wer ich bin. Er war ein weichherziger Onkeltyp mit kurzen

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