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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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weißen Haaren und Zähnen wie aus feuchtem Latex, das zum Trocknen auf der Leine hing.
    »Die Constables Ma Yai und Ma Lek haben mir alles über Sie erzählt«, sagte er. »Sie haben die beiden bei der Ausgrabung kennengelernt. Sie erinnern sich? Die sind bestimmt hier irgendwo. Von der Zeitung Thai Rat , stimmt’s? Du meine Güte, für jemanden, der so jung ist, führen Sie bestimmt ein aufregendes Leben … mit vielen Prominenten und Politikern.«
    Mir rutschte ein Lachen heraus.
    »Ich war … bin Kriminalreporterin«, erklärte ich. »Ich schlage mich mit den gleichen Strolchen herum wie Sie: Kriminelle, Mörder …«
    »Hier?« Er wirkte überrascht. »Seit der Ausgangssperre für birmanische Fischer 2005 ist hier nicht mehr viel passiert. Ein Mörder in den letzten drei Jahren, und der war so betrunken, dass er am Tatort auf uns gewartet hat. Hat geschlafen wie ein Baby. Hin und wieder gibt es familiären Unfrieden, Kids, die Ganja rauchen und lustige Kratom-Blätter kauen. Das war’s eigentlich schon.«
    Mich verließ der Mut.
    »Im Grunde passen wir nur auf, dass alles seine Ordnung hat«, fuhr er fort. »Versammlungen, Verkehrskontrollen, das Jugendzentrum, Fußballverein. Aber diese Sache mit dem VW-Bus, das kann ich Ihnen sagen, davon werden wir alle noch lange sprechen. Natürlich auch, weil Sie da sind.«
    Ich bekam vor Verlegenheit glatt einen Frosch im Hals.
    »Ich fürchte, der Major ist heute leider nicht da. Eigentlich sollte heute sein freier Tag sein, aber er musste zu einem Notfall nach Lang Suan. Er hätte Sie sicher gern gesehen.«
    Da war ich nicht so sicher, aber ich nahm erleichtert zur Kenntnis, dass er sich aus der Toilette befreit hatte.
    »Ich könnte mir vorstellen, dass Sie gekommen sind, um sich auf den neuesten Stand zu bringen.« Sergeant Phoom war ein Freund vieler Worte. »Wir sind losgegangen und haben ein paar Pepsis besorgt, als wir hörten, dass Sie uns besuchen kommen. Hoffentlich haben Sie Durst. Wir wussten nicht genau, was Sie mögen, also haben wir auch Cola geholt. Man kann nie aufmerksam genug sein. Ich glaube, es ist Cola light, für den Fall, dass Sie abnehmen wollen. Aber wie ich sehe, haben Sie das nicht nötig.«
    In all den Jahren auf Polizeirevieren in Chiang Mai war ich als Vertreterin der Presse nie so freundlich empfangen worden. Der Sergeant bot an, mich in den Einsatzraum zu führen, aber es schien ihm nicht ganz recht zu sein, dass er seinen Tresen unbeaufsichtigt lassen sollte, also versicherte ich ihm, dass ich mich schon zurechtfinden würde. Die meisten Polizeireviere haben denselben fantasielosen Grundriss. Unten ein offener Empfangsbereich mit Busbahnhofsitzen vor dem Tresen, rechts und links Verhörzimmer, Bußgelder sind an der Kasse hinter dem Empfang zu begleichen, oben Büros, der Einsatzraum am Ende, nach hinten raus zwei kleine Zellen. Es war ein weiteres Beispiel für den Mangel an Individualität, der meiner Ansicht nach für die thailändische Polizei so typisch war. Wo blieb der Farbklecks, der Frohsinn? Die Antwort auf diese Frage fand ich am Ende des Flurs.
    Das Schild mit der Aufschrift EINSITZZENTRALE über der Tür war so klein, dass einem der Fehler kaum auffiel. Die Tür stand offen, und drinnen saßen Constable Ma Yai und ein weiterer Polizist mit den Abzeichen eines Leutnants und dem Gebaren einer Tunte. Er stand auf und klatschte zartfühlend in die Hände.
    »Da kommt ja unser Engelchen!«, sagte er.
    Ich hatte schon schwule Polizisten kennengelernt. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere als Cabaret-Star hatte mir Sissi einige ihrer Freunde vorgestellt. Sie stand auf Uniformen. Sie hatte mit Postbeamten angefangen, sich dann durch die Polizeidienstgrade hochgearbeitet, bis zu ihrem absoluten Highlight: einem Air-Force-Kampfpiloten namens Bin. Doch – von Postbeamten abgesehen – hatte ich noch keinen uniformierten Mann erlebt, der im Dienst nicht seinen Testosteronmangel überkompensierte. Dieser Polizist allerdings machte niemandem was vor. Er stellte sich mir als Lieutenant Chompu vor und begrüßte mich mit einem tiefen wai , fast schon wie ein Hofknicks. Ich mochte ihn sofort. Ich hatte keine Ahnung, wie Lieutenant Chompu die medizinischen und theoretischen Prüfungen bestanden hatte und wieso er immer noch bei einer Polizeitruppe arbeitete, die Bewerber schon aus den nichtigsten Gründen ablehnte, doch in diesem Moment musste ich direkt lächeln, voll der Bewunderung für diesen Mann, dem seine Weiblichkeit offensichtlich

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