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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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sagte der Constable, als wäre das Grund genug, es gar nicht erst zu probieren. Ferngespräche. Komische Akzente. Formulare ausfüllen. Umstände. Als sollten sie sich mit Rio de Janeiro in Verbindung setzen. Ich erklärte ihnen, ich wolle versuchen, ob ich jemanden erreichte.
    »Und damit kommen wir zu den Leichen«, sagte der Constable und blätterte zur zweiten Seite. »Da man keine Organe mehr untersuchen kann, kein Muskelgewebe, weder Hirnsubstanz noch Mageninhalt, konnte der Militärpathologe aus Prajuab nur mit Gewissheit sagen, dass es sich um einen Mann und eine Frau handelt. Er war nicht mal sicher, wie alt sie waren. Er fand keine erkennbaren Traumata und daher auch keine offensichtliche Todesursache. Doch die Leiterin des Nationalen Gerichtsmedizinischen Instituts soll in den nächsten Tagen hier eintreffen und will vielleicht mal einen Blick darauf werfen.« Er klappte die Akte zu.
    »Das ist alles?«, fragte ich.
    »Finden Sie es nicht faszinierend, dass man allein anhand der Knochen erkennt, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt?«, fragte Lieutenant Chompu. »Und dann lagen sie auch noch lose herum.«
    »Sie gucken nicht viel Fernsehen, oder?«, meinte ich.
    »Doch. Wieso?«, erwiderte er. »Kann uns das hier helfen?«
    Verstehe. Das Landleben. Nur thailändische Seifenopern und Gameshows. Der gesunden Satellitenversorgung mit forensischer Wissenschaft beraubt. Diesen Leuten war nicht klar, dass man das Alter, die Nationalität, Religion, Gürtelgröße und sexuelle Orientierung eines Menschen an dem Stück Seife erkennen konnte, mit dem er sich am Morgen gewaschen hatte. Wir hatten zwei vollständige Skelette und konnten rein gar nichts darüber sagen. Wo war Kathy Reichs, wenn man sie brauchte?
    »Zwischen den Kleidungsfetzen wurde ein Etikett gefunden«, sagte Yai hoffnungsvoll. »Darauf stand: ›Made in India‹.«
    Mir fiel ein Selbstmord in Chiang Rai vor ein paar Jahren ein, bei dem man einen Ausländer als Italiener identifizierte, weil sein Name auf dem Etikett in seinem Hemd stand: Signore Armani.
    »Etiketten können irreführend sein«, sagte ich.
    »Da haben Sie natürlich recht«, sagte der Lieutenant. »War das denn überhaupt irgendeine Hilfe für Sie?«
    »Nein.«
    »Möchten Sie mitkommen und sich den VW-Bus ansehen, nachdem er jetzt ausgegraben ist?«, fragte er. »Ich könnte Sie hinfahren.«
    Ich sollte Anschlussartikel für drei Zeitungen schreiben und hatte noch nichts zu erzählen. Ich hegte kaum Hoffnung, dass mir der ausgegrabene VW genügend Einblicke bieten würde, um auch nur eine Spalte vollzukriegen. Zeitungen merkten, wenn jemand schwafelte, und als Reporterin vom Lande würden die bösen Redakteure mein Angebot sehr genau prüfen. Meine Geschichte würde sang- und klanglos untergehen. Dann konnte ich mich gleich wieder begraben lassen.
    Lieutenant Chompu verschwand kurz für kleine Polizisten, um sich ein wenig frisch zu machen, und ich wollte gerade raus zum Parkplatz, als ich Major Manas donnernde Stimme hörte. Ich drückte mich hinter eine Säule.
    »Ich hatte gar nicht damit gerechnet, dass Sie heute noch zurückkommen würden, Sir«, sagte Sergeant Phoom nach wie vor gut gelaunt.
    »Ich wäre überall lieber als hier, angesichts der Vorfälle«, sagte der Major.
    »Etwas Ernstes, Sir?«
    Aus meiner Nische zwischen den Säulen, hinter einem Pappschild mit Werbung für sicheres Autofahren, konnte ich sehen, wie der Major an den Tresen trat, sich zum Sergeant vorbeugte und etwas flüsterte. Ich konnte nicht hören, was er sagte, aber mir fiel auf, dass der Sergeant zurückschreckte, als hätte er eine Ohrfeige bekommen. Dieses Geheimnis hätte ich auch gern gewusst. Ich wartete, bis der Major die Treppe hinauflief, wobei er immer drei Stufen auf einmal nahm. Dann schlenderte ich zum Tresen.
    »Haben Sie schon gehört?«, fragte ich.
    »Was gehört?«, fragte Sergeant Phoom noch immer blass von dem, was er eben gehört hatte.
    »Oh, tut mir leid. Ich dachte, der Major hätte es Ihnen inzwischen erzählt.«
    »Nun … das kommt darauf an.«
    »Ach, vergessen Sie’s. Ich glaube, ich darf es Ihnen gar nicht anvertrauen, wenn Major Mana nichts gesagt hat.«
    Ich drehte mich um und hielt auf den Parkplatz zu, konnte aber hören, wie sein Verstand hinter mir im Leerlauf tuckerte.
    »Es hat nicht zufällig etwas zu tun mit …«, und er sprach leiser, »… dem Abt?«
    »Sehen Sie? Sie wissen es doch.« Ich lächelte. »Sie spielen nur mit mir.« Ich machte

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