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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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Augen blies. Das rote Lipgloss nahm ich anstelle der Lippensalbe, die ich nicht finden konnte.
    Ich saß auf einem Liegestuhl im Sand, mit Gogo zu meinen Füßen und einem Glas rumänischem Roten auf dem Schoß. Wir hatten zwölf Kisten aus Chiang Mai mitgebracht, mit je zehn Flaschen, aber noch keinen Feinschmecker gefunden, der ihn probieren wollte. Es war nicht gerade ein Tropfen, über den man in überschäumenden Jubel ausbrechen würde, aber Markenbewusstsein war sicher nicht der Grund, wieso die Flaschen unangetastet auf dem obersten Bord standen. Wir lebten nicht in Paris. Schon bei unserer Ankunft hatte ich mir vorgenommen, das Regal leer zu trinken, damit wir Platz für Sardinen bekamen. Eine Kiste war noch übrig. Die Flasche und ein zweites Glas standen unter meinem Stuhl. Ich meine, schließlich wäre es unhöflich gewesen, allein zu trinken und ihm nichts anzubieten. Selbstverständlich würde er das Angebot annehmen, etwas davon trinken, sagen, der Wein sei köstlich, und neun Zehntel davon stehen lassen.
    Ich hörte Schritte im Sand und starrte missmutig zu den Bootslaternen hinaus, die am Horizont schimmerten, als wären sie dort aufgehängt.
    »Erstes Anzeichen von Alkoholismus.«
    Ich drehte meinen Kopf und sah Opa Jah, der als schwarzer Schatten im Licht von der Küche dastand, mit den Händen in den Hüften. Er sah aus wie ein bulimischer Superheld.
    »Es ist spät, Opa. Du solltest längst im Bett liegen.«
    »Es ist halb acht.«
    »Schlafen kann man nie genug.«
    »Weißt du eigentlich, dass ich heute Morgen den ganzen Weg nach Surat mit dem Moped gefahren bin?«
    »Ja. Möchtest du, dass ich dir Benzingeld gebe?«
    »Nein. Ich möchte, dass du den Anstand besitzt, mich über die Ermittlungen auf dem Laufenden zu halten.«
    »Wieso glaubst du, dass ich das nicht tue?«
    »Ich habe dich gesehen.«
    »Wo hast du mich gesehen?«
    »Wie du da reingegangen bist.«
    »Wo reinge…? Bei der Awuso Foundation? Du warst in Lang Suan?«
    »Ich kam gerade vorbei.«
    »Du kamst gerade vorbei? Ich hatte den Pick-up. Arny hatte das Moped den ganzen Nachmittag. Lang Suan ist zwanzig Kilometer weit weg. Wie kann es da angehen, dass du zufällig vorbeikamst?«
    »Es gibt Motorrad-Taxis. Es gibt Busse. Ich bin ja schließlich nicht senil, oder? Ich bin über siebzig Jahre auch ohne Eskorte durchgekommen.«
    Ich lachte. »Du hast mich beschattet«, sagte ich dann.
    »Habe ich nicht. Ich war nur … neugierig. Nach allem, was ich von Captain Waew gehört hatte, wollte ich es selbst sehen. Aber ich habe gesehen, dass du da reingetanzt bist wie die Ruhe selbst, und ich kann dir sagen …«
    Ich wartete eine Weile, aber er brachte den Satz nicht zu Ende. Da die Zeit drängte, und ich einen jungen Mann behutsam enttäuschen musste, ging ich den Inhalt des Interviews mit Sugit so knapp wie möglich durch.
    Opa Jah nickte nicht und machte auch keine Bemerkungen. Er hockte nur im Sand, in dieser ländlichen Toilettenhaltung, die ich noch nie bequem fand. Als die Geschichte zu Ende war, stand er auf, ohne zu knarren, und sagte: »Na gut. Es könnte sein, dass ich diese Woche noch etwas freie Zeit habe, falls du …« Er wandte sich ab und wollte gehen.
    »Opa?«
    »Ja?«
    »Ich glaube, ich werde in dieser Sache eine ganze Menge Hilfe brauchen.«
    Er sah sich zu mir um. Obwohl der Mond hinter Wolken versteckt war, sah ich seine falschen Zähne im Licht der Fischerboote glänzen. Er grunzte und kehrte zu den Lichtern der Hütten zurück.
    Der Leuchtanzeige meines Taschenweckers nach zu urteilen, war es fünf vor acht, als mein zweiter Besucher kam. Pünktlichkeit war kein Wort, das seinen Weg ins Vokabular allzu vieler meiner Landsleute fand, und daher war ich beeindruckt.
    » Koon Jimm«, hörte ich und nahm mir die Zeit, noch das eine oder andere Fischerboot zu betrachten, bevor ich mich umsah. Ed stand hinter mir. Er trug ein weites weißes Seidenhemd und glänzende Fischerhosen. Irgendwie hatte er etwas Heroisches an sich. Es fehlte nur noch ein Degen an seinem Gürtel. Selbst sein Bärtchen passte zum Kostüm.
    »Ed, oder?«
    »Ja.«
    Er kam an den Strand herunter und stand neben meinem Liegestuhl, atmete die salzige Meeresluft tief ein. Aus meiner Perspektive sah er ganz genauso groß aus wie die Kokospalmen, und auch genauso aufrecht und unbeugsam.
    »Woher wussten Sie, wo ich bin?«, fragte ich.
    »Sieht so aus, als hätte jemand eine Ihrer Tischlampen in diese Richtung gedreht«, sagte er. »Ich konnte Sie schon aus

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