Der Tote vom Kliff
schreibe für die Polizei«, sagte Große Jäger und
blätterte bedeutungsschwer in seinem abgegriffenen Taschenkalender aus dem
Jahre 1998, in den er noch nie etwas Wichtiges eingetragen hatte. Es machte
aber stets Eindruck auf die Leute, wenn »die Polizei etwas notierte«.
»Wie? Was?«, stammelte von Burzlaff. »Sie sagten doch,
Sie kämen von einer Zeitung.«
»Nee«, erwiderte Große Jäger ungerührt. »Ich habe
erklärt, dass wir vom führenden Informationsdienst des Landes kämen.«
»Haben Sie mein Cape mitgebracht?«, mischte sich Katja
von Mühl in das Gespräch.
»Wir möchten von Ihnen gern wissen, wie der Nerz in
das Haus Dr. Laipples gekommen ist«, sagte Lüder.
»Nerz! Es handelt sich um einen Hermelin. Außerdem ist
es meine Sache, wohin ich meine Kleidung trage.« Katja von Mühl strich sich mit
der Hand eine Haarsträhne aus der Stirn. Es war eine eingeübte Geste, denn die
Haare fielen sofort wieder zurück.
»Nicht bei Mord«, sagte Lüder.
»Mord?« Die Frage kam gleichzeitig aus den Mündern der
beiden.
Große Jäger nickte. »Wir haben den Nerz am Tatort
gefunden.«
»Das ist kein Nerz, sondern ein Hermelin«,
protestierte die Schauspielerin. »Was für ein Tatort?«
»Lesen Sie keine Zeitung?«
»Schon. Aber da stand nichts von einem Mord.«
»Wir konzentrieren uns auf den Kulturteil«, sagte von
Burzlaff und sah die Schauspielerin an. »Nicht wahr, Liebes?«
»Warum haben Sie Ihr Hermelincape im Haus gelassen?«
»Wir hatten Streit. Da bin ich in der Erregung aus dem
Haus und habe die Jacke vergessen.«
»Worüber haben Sie sich mit Lew Gruenzweig
gestritten?«
»Das war etwas Persönliches. Wir … Moment mal. Wer ist
Lew Gruenzweig?«
»Das Mordopfer.«
Von Burzlaff und Katja von Mühl wechselten einen
raschen Blick. »Ich dachte schon, Friedemann wäre ermordet worden.« Der
Schauspielerin war die Erleichterung deutlich anzumerken.
»Und wer ist nun dieser Gruenzweig?«, fragte von
Burzlaff und tätschelte Katja von Mühl das Knie, nachdem sie die Beine
übereinandergeschlagen und der Bademantel sich dabei weit geöffnet hatte.
»Ein führender Wirtschaftsmanager aus Amerika.«
»Kenne ich nicht«, erwiderte von Burzlaff. »Du?« Er
sah die Schauspielerin an.
Die schüttelte den Kopf und strich sich erneut die
Haare aus dem Gesicht.
»Sie haben Herrn Dr. Laipple besucht und sich
gestritten. Um was ging es dabei?«
Sie wollte antworten, aber ihr Manager fuhr
dazwischen. »Das können wir nicht sagen. Es gibt einen Exklusivvertrag mit
einer großen Sonntagszeitung. Morgen können Sie die ganze Wahrheit über diese
Affäre lesen.«
»Dann geben Sie uns jetzt einen mündlichen
Vorabdruck«, sagte Große Jäger mit spöttischem Unterton.
»Ich sagte schon, das geht nicht.«
»Dann ziehen Sie sich bitte an. Beide. Wir werden Sie
mitnehmen und in Husum einem intensiven Verhör unterziehen. Wenn wir schnell
sind, bekommt die Presse vielleicht noch eine Ergänzung bis morgen hin: Das
Ende einer Affäre – Mord. Katja von Mühl bei der Polizei.«
»Das können Sie nicht machen, Herr von Husum«,
jammerte der Manager.
»Ich bin der Große Jäger. Ich habe vorhin nur
gesagt, ich bin von Husum. Da ist unsere Dienststelle.«
»Wollen Sie uns verarschen? Großer Jäger! Pah!
Enzo, hast du dir von diesen Verrückten eigentlich die Ausweise zeigen lassen?«
»Nein«, gestand der Manager kleinlaut.
»Sind denn jetzt alle verrückt?«, fragte Katja von
Mühl mit schriller Stimme.
Lüder grinste breit und zeigte auf Große Jäger. »Er
schon – ich nicht.«
Von Burzlaff streckte den beiden Beamten fast flehend
die Hand entgegen. Dann las er sorgfältig die Dienstausweise.
»Der heißt wirklich Große Jäger«, sagte er
schließlich.
»Und das ist kein Künstlername wie in Ihrer Branche
üblich«, erwiderte der Oberkommissar ungerührt.
Die Schauspielerin seufzte filmreif. »Sind Sie
diskret?«
Große Jäger nickte. »Ich bin so diskret, dass ich
jeden Morgen vergesse, wo ich am Vorabend gefeiert habe.«
»Friedemann und ich sind ein Paar. Wir haben uns auf
einer Charity-Veranstaltung kennengelernt. Ich war dort Stargast.«
»Du hast sogar gesungen, mein Liebes«, warf von Burzlaff
ein.
Sie winkte ab. »Das war irgendwo in der Nähe von
Frankfurt. Lausiges Kaff.«
»Königstein«, ergänzte der Manager.
»Lass gut sein, Enzo. Die Einzelheiten interessieren
doch nicht. Ich wurde als Ehrengast an den Tisch der wichtigsten Gäste gebeten.
Einer von ihnen war
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