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Der Tote vom Kliff

Der Tote vom Kliff

Titel: Der Tote vom Kliff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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Verkehrsgesellschaft mit den charakteristischen
am Heck montierten gelben Fahrradständern vor ihnen hergefahren wäre, hätte man
sich irgendwo in einer abgeschiedenen Ödnis wähnen können.
    »Da haben Generationen von Schülern ihre Klassenreisen
hin unternommen«, sagte Lüder, als sie die Abzweigung zum Jugenderholungsheim
Puan Klent passierten.
    Große Jäger schien anderen Gedanken nachzugehen: »Was
machen die bloß mit dem ganzen Geld, das die einsacken?«, fragte er, um sich
sogleich selbst die Antwort zu geben. »In den Straßenbau investieren die es
nicht.«
    Lüder musste ihm recht geben. Dafür, dass Sylt ein
absolutes touristisches Highlight war und ausschließlich vom Fremdenverkehr
lebte, waren die Verkehrswege in einem katastrophalen Zustand.
    »Nur die Inselautobahn zwischen Westerland und Kampen
ist akzeptabel«, maulte Große Jäger und meinte damit die gut ausgebaute Straße
zwischen den beiden Orten. »Aber sonst sind das Rumpelpfade und Knüppeldämme.«
Provozierend hüpfte er rhythmisch auf dem Beifahrersitz im Takt der Stoßkanten
der Betonplatten auf und ab, die aus den unseligen Zeiten der deutschen
Vergangenheit stammten und bis heute das Straßenfundament bildeten.
    Lüder schenkte dem Oberkommissar einen belustigten
Seitenblick.
    »Das ist nicht der einzige Ackerweg«, sagte Große
Jäger. »Andere Inselstraßen sind aus lauter Flickstellen designt.«
    Wenig später erreichten sie den Hafen von Hörnum an
der Südspitze Sylts. Trotz des Hinweisschildes, dass der große Parkplatz den
Gästen der Linien- und Ausflugsschiffe vorbehalten war, stellte Lüder sein
Fahrzeug dort ab.
    Ein Pavillon beherbergte die Geschäftsstelle der
Reederei, während Große Jäger einen kleinen Bau ansteuerte, in dem eine
Fischbude ihre Ware feilbot. Ächzend ließ sich der Oberkommissar auf einer Bank
nieder, fischte seine Zigarettenpackung hervor und zündete sich einen
Glimmstängel an. Er schlug die Beine übereinander und legte seine linke Hand
auf die Rückenlehne der Bank. Zufrieden blinzelte er in die Sonne.
    Lüder lachte herzhaft über das Bild, das sich ihm bot.
Irgendwer mit Humor hatte weithin sichtbar auf die Rückenlehne der weißen Bank
die Beschriftung »Hörnumer Rentnerbank« angebracht.
    Es war eine friedliche Szenerie. Wie zwei Arme
umfassten die Molen den Hafen und ließen nur einen schmalen Durchlass für die
Passage der Schiffe. Ein weißes Seebäderschiff mit dem Namen Adler VII lag am Kai. Zahlreiche
Krabbenkutter, überwiegend mit fremden Heimathäfen, dümpelten in mehreren
Reihen im sanften Wellengang. Dieser Teil des Hafens wurde fast ausschließlich
von der Berufsschifffahrt genutzt, während im hinteren Abschnitt Sportboote zu
erkennen waren.
    Lüder ließ Große Jäger Zeit. Er sah der überschaubaren
Anzahl Urlaubern nach, die gemächlich am Wasser entlangbummelten. Oberhalb der
Anlage auf einer hohen Dünenkette erkannte Lüder ein flaches Gebäude, an dessen
Dach ein Schild in fröhlichen bunten Buchstaben verkündete, dass hier eine
Grundschule beheimatet sei.
    »Ob die Kinder es zu schätzen wissen, dass sie
wahrscheinlich einen der schönsten Ausblicke Deutschlands haben, wenn sie aus
dem Klassenfenster sehen?«, fragte Lüder und zeigte auf das Schulgebäude. Ein
Stück weiter wehte von einem Fahnemast die blau-weiß-rote Landesflagge.
    Große Jäger hatte seine Zigarette zu Ende geraucht,
sich eine weitere angezündet und folgte Lüder, der langsam am Hafenbecken
vorbei in Richtung des Yachthafens gegangen war.
    Auch hier gab es eine große Halle, an deren Stirnwand
das Emblem des Sylter Yachtclubs prangte. Sie umrundeten die Halle, ignorierten
das Hinweisschild, dass es sich um Privatgelände handelte, und gingen auf einem
schmalen gepflasterten Weg bis zum Ende des Hafens, wo eine Stiege hinab zu den
Bootsstegen führte.
    Im Unterschied zu Rantum waren hier auf mehreren
Schiffen Leute mit irgendwelchen Arbeiten beschäftigt.
    »Moin«, rief Lüder einem braun gebrannten Glatzkopf
zu, der auf dem Deck eines Motorseglers hantierte. »Wir suchen das Boot von
Karl-Friedrich Hundegger.«
    »Hundegger?« Der Mann streckte den Arm aus. »Dahinten.
Die ›Ägir‹. Der Skipper ist aber vorhin mit einem Taxi weg.«
    »Wissen Sie, wohin?«
    »Keine Ahnung.«
    »Kennen Sie den Sohn?«
    »Ja. Aber der ist hier nicht aufgetaucht.«
    »Was ist das für ein seltsamer Name?«, sagte Große
Jäger, als sie weitergingen.
    »Den müsstest du doch kennen«, antwortete Lüder.

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