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Der Tote vom Maschsee

Der Tote vom Maschsee

Titel: Der Tote vom Maschsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut.« Oda führt
den Besuch in einen großen Raum, der Wohn- und Esszimmer zugleich ist. Es
herrscht eine ziemliche Unordnung, die Oda mit den Worten kommentiert: »Das ist
ein Schlampenhaushalt, sehen Sie einfach darüber weg.«
    Während die Pizza im Ofen bäckt und immer köstlicher riecht,
studiert Oda das mitgebrachte Schriftmaterial. »Sieht nicht so aus, als ob er
schon zu endgültigen Schlüssen gekommen wäre«, sagt sie am Ende.
    Â»Was bedeutet RRASOR ?«
    Â» Rapid Risk Assessment for Sex Offense
Recidivism. Ein Screening-Verfahren, ein statistisches
Untersuchungsinstrument zur Einschätzung des Rückfallrisikos. Eine Art
Checkliste, entwickelt speziell für Sexualstraftäter«, erklärt Oda. »Inzwischen
gibt es einige solcher Verfahren, mehr oder weniger verfeinert. Vielleicht
wollte er danach vorgehen. Oder es zumindest so aussehen lassen, damit das
Ganze schön wissenschaftlich wirkt.«
    Â»Und was meinte er mit: Im Gutachten 1992
stellte Dr. Hermann Mager fest, dass S. die Ereignisursachen, die zu seiner
Inhaftierung führten, stark externalisiert, so wie er überhaupt sehr zu
sozialem und fatalistischem Externalisieren neigt. «
    Â»Strauch sieht sich selbst nicht als Verantwortlicher seiner Taten,
sondern schiebt übermächtigen Anderen – dem Chef, den Eltern, oder dem
Schicksal – die Schuld am eigenen Scheitern zu«, führt Oda aus. Jule schielt
nach der Pizza, während Oda fortfährt: »So ein Gutachten besteht im Großen und
Ganzen aus drei Komponenten: Den Akteninformationen, den Gesprächsergebnissen
und dem psychischen Befund. Die Akteninformationen lagen Offermann demnach vor,
aber vom Rest finde ich hier nichts.«
    Â»Aber diese Dr. Fender sagte zu Fernando, Offermann hätte schon
einmal mit Strauch gesprochen.«
    Â»Hat man Kassetten gefunden oder ein Diktiergerät?«
    Â»Davon ist mir nichts bekannt«, antwortet Jule. Allerdings hat auch
niemand danach gefragt.
    Â»Solche Gespräche dauern mitunter mehrere Stunden, und sie werden im
Allgemeinen aufgezeichnet. Wenn der Befragte das nicht will, macht man sich
zumindest Gesprächsnotizen. Wie soll man sich sonst später an Details
erinnern?«
    Â»Klingt logisch«, meint Jule. »Kann höchstens sein, dass die
Gesprächsnotizen auf dem Laptop sind, der noch immer verschwunden ist. Das wäre
blöd.«
    Â»Also wissen wir momentan auch nicht viel mehr als die Presse«,
resümiert Oda.
    Â»Die Presse?«
    Â»Ja. Vergangene Woche stand ein Artikel über einen inhaftierten
Herrn S. in der HAZ . Ich habe vorhin mein Altpapier
durchwühlt und ihn noch gefunden.«
    Das erklärt immerhin, warum das Wohnzimmer mit Zeitungen übersät
ist.
    Oda steht auf und nimmt einen ausgeschnittenen Artikel von der
Anrichte, den sie Jule mit den Worten reicht: »Ich kümmere mich inzwischen mal
um die Pizza.«
    Mörder
droht Verwahrung
    In
einigen Wochen muss die 4. Große Strafkammer des Landgerichts Hannover
entscheiden, ob sie für den Vergewaltiger und Mörder Michael S., der sich seit
15 Jahren in Haft befindet, Sicherungsverwahrung anordnet. Im August 1992 hatte
das Landgericht den damals 24-Jährigen zu einer Haftstrafe von 15 Jahren wegen
Vergewaltigung, Freiheitsberaubung und Totschlags verurteilt, aber keine
Sicherungsverwahrung angeordnet. In Kürze soll ein psychiatrisches Gutachten
erstellt werden, das dem Gericht als Entscheidungshilfe dienen soll.
Verteidiger Hermann Plöger hält ein nachträgliches Wegsperren seines Mandanten
für rechtswidrig. Dessen Gefährlichkeit sei schon damals bekannt gewesen, und
nur neue Tatsachen könnten etwas an dem 1992 ergangenen Urteil ändern.
    Oda stellt die Pizza auf den Tisch, dazu eine geöffnete
Flasche Chianti und ein Glas Wasser. »Guten Appetit. Ich geh inzwischen mal im
Garten eine qualmen.«
    Â»Mich stört das nicht, rauchen Sie ruhig.«
    Â»Ich rauche nur draußen, wegen Veronika.«
    Â»Ich verstehe«, sagt Jule. Anscheinend liegt Oda die Gesundheit
ihrer Kollegen in der Direktion weit weniger am Herzen. Jule muss sich
zusammennehmen, um nicht allzu sehr zu schlingen. Als sie mit der Pizza in
Rekordzeit fertig ist, schenkt sie sich Rotwein ein.
    Oda tritt wieder ins Zimmer, mit ihr ein Schwall kühler, rauchiger
Luft.
    Â»Danke. Sie haben mir das Leben gerettet, ich

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