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Der Tote vom Maschsee

Der Tote vom Maschsee

Titel: Der Tote vom Maschsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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war am Verhungern.«
    Â»Keine Ursache.«
    Â»Wegen des Artikels – das bedeutet doch, dass ein Gutachter schon
sehr schwere Geschütze auffahren müsste, um Strauch im Knast zu halten«, fragt
Jule und lehnt sich satt zurück.
    Oda nimmt wieder am Tisch Platz und sagt: »Die ganze Sache ist eine
riesige Schlamperei der Justiz, wenn Sie mich fragen. Die Wahrscheinlichkeit,
dass dieser Mann früher oder später rückfällig wird, ist durchaus groß. Um das
zu sehen, braucht es keinen Experten. Der Knast allein hat noch keinen
geläutert, und in Therapie war der nicht, wenn man mal von diesem einen
Alibi-Kurs absieht. Dennoch hat der Richter nach Lage der Dinge kaum eine
Chance, Strauch dazubehalten.«
    Â»Es sei denn Offermann hätte etwas herausgefunden, was diese sogenannten
neuen Tatsachen schafft«, überlegt Jule. »Dann hätte er jemandem, der Strauchs
Freilassung wünscht, wohl im Weg gestanden.«
    Oda zuckt die Schultern. »Aber wer sollte das sein? Strauch selbst
hat ja ein recht gutes Alibi für die Tatzeit.«
    Â»Vielleicht seine Verlobte«, schlägt Jule vor.
    Â»Möglich. Die sollten wir uns auf jeden Fall ansehen.«
    Â»Was könnte das sein, diese neuen Tatsachen?«, fragt Jule.
    Â»Ein eindeutiger Hinweis auf eine stark gesteigerte Gefährlichkeit.
Wenn er in der Haft jemanden angegriffen hätte, zum Beispiel.«
    Â»Aber er war ja ein Musterknabe«, wirft Jule ein.
    Â»Wenn er sadistische Gewaltphantasien äußert oder sogar
niederschreibt. Oder wenn er Offermann ein Verbrechen gestanden hat, von dem
man bisher nichts wusste«, zählt Oda auf.
    Â»So dämlich wird er nicht sein, oder?«
    Â»Alles schon vorgekommen. Psychiater können manchmal ganz schön
raffiniert und hinterhältig sein. Psychologen übrigens auch«, fügt Oda hinzu
und sendet ein Raubtierlächeln über den Tisch.
    Jule seufzt. »Also werde ich morgen früh praktisch nichts zu
erzählen haben.«
    Â»Macht nichts«, sagt Oda und gießt sich vom Chianti ein. »Dieser
Strauch ist nur eine Spur. Ich nehme morgen die
Stalkerin in die Mangel, vielleicht ergibt sich daraus etwas. Polizeiarbeit ist
mühsam, Frau Wedekin. Lauter kleine Teilchen, wie bei einem Mosaik. Steinchen
für Steinchen, bis sich ein Bild formt. Und manche Steine gehören einfach nicht
hinein. Das zu erkennen ist auch wichtig, weil sie sonst das Bild verfälschen
und einen vom Wesentlichen ablenken. Sie müssen vor allen Dingen Geduld haben.
Das ist anders als im Fernsehen.«
    Jule nickt. Eigentlich ist diese Oda doch ganz umgänglich.
    Â»Lesen Sie immer die Akten, den Spurenordner. Wenn Sie tagsüber
draußen sind, kriegen Sie nicht mit, was sonst noch gelaufen ist. Aber es ist
wichtig, das zu wissen.«
    Â»Danke.«
    Oda schenkt ihr Wein nach.
    Â»Was glauben Sie, was hinter der Sache mit der Zunge steckt?«, wagt
sich Jule vor.
    Â»Vermutlich hat er zu viel geredet.« Oda unterdrückt nachlässig ein
Gähnen.
    Jule schießt aus ihrem Stuhl auf. »Oh, ich habe ganz vergessen, wie
spät es ist.«
    Â»Nur keine Hektik. Trinken Sie in aller Ruhe aus. Wäre ja schade um
den schönen Chianti.«
    Jule setzt sich wieder hin, aber nur auf die Stuhlkante.
    Â»Ich glaube, ich war heute Morgen etwas ekelhaft. Ich möchte mich
dafür entschuldigen«, sagt Oda.
    Â»Das ist nicht nötig«, wehrt Jule ab.
    Â»Ach, und noch was …«
    Â»Ja?«
    Â»Eigentlich duze ich jeden in der Dienststelle – bis auf die
Sekretärinnen.« Oda hebt ihr Glas und streckt es Jule mit einem verschmitzten
Lächeln entgegen. Sie stoßen an.
    Â»Auf unseren ersten Fall. Du hast wirklich ein Näschen für den
richtigen Zeitpunkt, das muss man schon sagen«, prostet Oda Jule zu.
    Â»Darf ich Sie … dich noch was fragen? Und dann geh ich aber.«
    Â»Nur zu.«
    Â»Wieso bist du bei der Kripo? Ich meine, mit einem
Psychologiestudium ließe sich doch auch was anderes anfangen.«
    Â»Mag sein. Aber ich finde, der Job gibt einem genug Gelegenheit für
angewandte Psychologie.«
    Jule ist im Begriff aufzustehen, da fragt Oda: »Und warum schmeißt
ein höheres Töchterchen das Medizinstudium und geht zur Polizei?«
    Jule senkt den Blick in ihr Weinglas. Ja, warum? Durch die
Verbindungen ihres Vaters wäre ihre akademische Karriere praktisch kaum
aufzuhalten gewesen. Du

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