Der Tote vom Maschsee
und dort ausgesetzt hat.«
»Wie bitte?«
»Ich denke eher, es war Offermann, um sie loszuwerden. Falls es
überhaupt wahr ist. Ihr Ehemann bezweifelt dies.«
Jule erinnert sich an die Schilderung von Dr. Fender über das Banner
mit der Liebesbotschaft im Gerichtssaal und meint: »Sie muss wirklich sehr
lästig gewesen sein.«
»Da greift man schon mal zu drastischen Mitteln«, bekräftigt Oda.
»Es kommt nicht selten vor, dass sich Stalking-Opfer selbst strafbar machen,
indem sie sich zur Wehr setzen.«
Der Lift hält an.
»Was ist mit dem Ehemann der Stalkerin?«, wendet sich Völxen im
Weitergehen an Oda.
»Der Gatte hat ein Alibi. Er war in der Tatnacht mit Kollegen und
Pharmareferenten im Varieté.« Sie seufzt. »Unsere Kundschaft könnte uns doch
auch mal ins Varieté einladen. Wir hätten das auch mal verdient.«
»Wozu das denn?«, brummt der Kommissar und hält den Damen die Tür
zur Cafeteria auf. »Haben wir nicht genug Zirkus hier?«
»Herr Strauch. Mein Name ist Dr. Martin
Offermann. Sie wissen, weshalb wir uns heute unterhalten?«
»Ja, weià ich.«
»Stört es Sie, wenn das Band mitläuft?« (Stille.)
»Wenigstens können Sie mir dann hinterher nicht
das Wort im Mund umdrehen. Ich will aber eine Kopie.«
»Gut, wenn Sie das möchten.«
»Will ich.«
»Und, wie ist es so, in der Haft?«
(Schnaubendes Lachen.) »GroÃartig, was dachten
Sie denn?«
»Besser als in Celle?«
»Der alte Dreckskasten.«
»Sie legen Wert auf Sauberkeit?«
»Ja, das tu ich.«
Es folgt ein langes Lamento über die hygienischen Zustände
in deutschen Haftanstalten, welches Fernando durch Betätigung der
Schnelllauftaste ein wenig strafft. Die Stimme des Häftlings ist für einen Mann
recht hoch, ihr schnarrender Tonfall erinnert ein bisschen an die
Rundfunksprecher der DreiÃigerjahre. Fernando findet sie unsympathisch.
»Herr Strauch, Sie sind erstmals mit
achtzehn Jahren zu viereinhalb Jahren Jugendhaft verurteilt worden.«
»Ich bin nach drei Jahren entlassen worden. Wegen
guter Führung.«
»Und Sie haben sogar ein Lehre dort gemacht.«
»Ja, zum Maler.«
»War das Ihr Wunschberuf?«
»Das nicht gerade. Aber es hat sich angeboten.«
»Was war Ihr Wunschberuf?«
»Weià ich nicht mehr.«
»Als sie erstmals verhaftet worden sind, sind Sie
da noch zur Schule gegangen?«
»Nein. Meine Schulzeit war schon seit zwei Jahren
vorbei.«
»Sie haben einen Hauptschulabschluss?«
»Ja. Wollte noch ein Jahr dranhängen, auf der
Realschule, aber ging nicht. Noten zu schlecht. Diese ScheiÃlehrer, die konnten
mich alle nicht leiden.«
»Was haben Ihre Eltern dazu gesagt?«
»Eltern? Mein Vater ist abgehauen, als ich zehn
war. Hab den nie mehr gesehen, der hat auch nie für mich bezahlt. Meine Mutter
⦠Na, die war froh, dass ich mit der Schule fertig war.«
»Wo haben Sie und Ihre Mutter gewohnt?«
»Die meiste Zeit in Vahrenwald.«
»Haben Sie sich dort wohlgefühlt?«
»Nee. Wie denn auch? Da wohnen doch nur Assis und
Kanaken.«
»Wie ging es dann weiter?«
»Ich sollte âne Lehre machen. Gas, Wasser,
ScheiÃe.«
»Also Installateur.«
»Ja. Das haben die sich so ausgedacht, die Alte
und ihr Macker. Der hatte so âne Klitsche auf der LimmerstraÃe. Wollte ich aber
nicht.«
»Warum nicht?«
»So halt. War ân Arsch.«
»Wie lange war Ihre Mutter mit diesem Mann
zusammen?«
»Was weià ich? So zwei Jahre.«
»Und davor?«
»Sie hatte immer wieder so Typen. Aber keiner ist
lange geblieben.«
»Warum nicht?«
»Keine Ahnung.«
»Hatten Sie zu der Zeit eine Freundin?«
»Nichts Festes.«
»Aber es gab Freundinnen.«
»Ab und zu. Meistens habe ich Schluss gemacht.«
»Warum?«
»Die haben genervt. Wollten mich rumkommandieren
und so. Das läuft bei mir aber nicht.«
»War das bei dieser Silvia auch so?«
»Welcher Silvia?«
»Die Frau, deretwegen Sie zu einer Jugendstrafe
verurteilt worden sind. Wollte die Sie auch rumkommandieren?«
»Dazu sag ich nichts. Das ist eine alte Sache,
dafür hab ich gesessen, und gut ist.«
»Hat Ihre Mutter Sie besucht, als Sie in der
Jugendhaftanstalt in Hameln waren?«
»Nur einmal. Sie hat rumgejammert und
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