Der Tote vom Maschsee
Auszug
bedauert hätten. Eher schon ihre Berufswahl, doch das Thema müsste doch
allmählich durch sein. Zumal jetzt, da sie weg ist von der StraÃe und nicht
mehr diese Uniform trägt, die ihre Mutter so »schrecklich unvorteilhaft« fand.
Die Kripo, das Dezernat für Todesermittlungen, das ist doch ein
Glücksfall, andere warten ewig auf so eine Stelle. Und dann gleich ein solcher
Fall! Sie hätte gerne ihrem Vater davon erzählt. Spätestens am Wochenende wird
sie in Bothfeld vorbeischauen, beschlieÃt Jule. Der Klügere gibt nach. Dann
kann sie sich auch gleich diverse Werkzeuge ausleihen.
Eben war noch der Elektriker da und hat den Herd angeschlossen. Es
geht voran. Sie hat nicht viele Möbel von zu Hause mitgenommen. Die zwei Räume,
die sie in der Bothfelder Villa ihrer Eltern bewohnt hat, sind mit den
Schränken und Kommoden ihrer GroÃeltern mütterlicherseits eingerichtet. Ihre
Mutter hätte es sicher nicht gern gesehen, wenn Jule diese aus dem Haus
geschleppt hätte. Und sie will ja neu anfangen, ihre Wohnung betont
antimaterialistisch einrichten, was in der Praxis bedeutet: Ikea und Flohmarkt.
Nun muss sie nur noch die Zeit finden, um etwas zu kaufen. Immerhin, eine
Küchenlampe besitzt sie schon. Die aufzuhängen, damit könnte sie doch anfangen.
Es kocht sich einfach besser bei Licht. Dazu wäre eine Bohrmaschine nicht
schlecht.
Heute morgen hat sie bei den Briefkästen ein blonder junger Mann
verschlafen gegrüÃt und Post aus dem Kasten mit den Namen Elbers/Pasche geholt.
Das müssten der Anordnung der Klingeln nach die Leute sein, die über ihr
wohnen. Die mit dem geräuschvollen Liebesleben. Zum Glück ist es vergangene
Nacht ruhig geblieben. Jule steckt den Schlüssel in die Hosentasche und geht
eine Treppe höher. Hinter der Tür ist Reggae zu hören. Sie klingelt.
Es öffnet sich die Tür auf der anderen Seite des Flurs, und eine
aufgeplusterte Blondierte über sechzig kommt heraus. Sie trägt den Abklatsch
eines Chanel-Kostüms und wünscht steif einen guten Abend.
»Guten Abend. Ich bin Jule Wedekin, die neue Mieterin vom zweiten
Stock.«
»Ach, Sie sind das. Ich hoffe, der Krach im Haus hat bald ein Ende.«
»Welcher Krach?«
»Diese Handwerker, die den ganzen Tag gebohrt und den Hausflur
verschmutzt haben.«
»Sie meinen die Küchenmonteure. Ja, die sind fertig, Frau â¦Â« Jule
blickt ihrem Gegenüber betont freundlich ins runzlige Gesicht mit der spitzen
Nase.
Ihr Mund kräuselt sich zu einem süÃsauren Lächeln: »Pühringer.«
»Angenehm«, lügt Jule.
Frau Pühringer ist schon auf der Treppe nach unten, da ruft sie Jule
noch zu: »Bei denen müssen Sie schon Sturm klingeln.« Das St von Sturm spricht
sie hanseatisch aus. »Die haben ihre grässliche Musik immer dermaÃen laut. Sie
hören es ja. Zustände hier â¦Â« Dann klackert sie geräuschvoll die Stufen hinab.
Die andere Tür wird geöffnet. »Ist das Haus hexenfrei?«
Vor Jule steht der Blonde von heute Morgen. Er ist nicht mehr ganz
so jung, wie er auf den ersten Blick wirkte.
»Wie bitte?«
Sein Blick zielt an Jule vorbei in den Hausflur. »Die Pühringer, ist
sie weg?«
»Gerade auf ihrem Besen die Treppe runter.« Jule stellt sich und ihr
Anliegen vor.
»Ich bin Thomas. Komm rein.« Blaue Augen, schmale Nase, ein breiter
Mund mit schönen Zähnen. Nicht übel.
Sie folgt ihm durch einen ochsenblutrot gestrichenen Flur ins
Wohnzimmer, das von zwei ausladenden Sofas beherrscht wird.
»Bohrmaschine ⦠Ich glaube, Fred hat so was.«
Das war ja klar. Kaum sieht einer mal nicht ganz so schlecht aus,
ist er prompt schwul. Ob die wohl immer so laut sind, wenn sie �
»Fred ist mein Mitbewohner. Wir sind eine WG. Willst du ein Glas
Rotwein?«
»Ich will eine Lampe aufhängen.«
»Klar. Trotzdem ein Glas Wein?«
»Ja, gerne.«
Er verschwindet in der Küche, Jule setzt sich auf das rote Sofa. Von
hier aus hat man einen guten Blick auf den Balkon, und die zwei Reihen
Blumentöpfe, in denen sich Hanfpflanzen in einem frühen Entwicklungsstadium
befinden. Sie hat im Dienst bei der Polizeiinspektion Mitte schon einige
solcher kleinen Plantagen beschlagnahmen müssen und fand es immer eine
übertriebene MaÃnahme. Viel lieber hätte sie prügelnden Alkis den Kühlschrank
leer
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