Der Tote vom Maschsee
liefert sie die Auskunft:
»Gemeldet sind Tatjana Druski, Jahrgang 1942,
Oleg Druski, geboren am 30.
März 1971 in
Nischni Nowgorod, Olga Druski, geboren am 15.
Juli 1968 ebenda,
und ein Andrei Druski, geboren am 19.
September 1974,
auch in Nischni Nowgorod. Die Herren sind übrigens Kundschaft von uns, Andrei
Druski ist wegen Körperverletzung vorbestraft, sein Bruder Oleg wegen
räuberischer Erpressung.«
»Danke.«
»Nicht dafür.«
Fernando tätigt einen weiteren Anruf. Dann wartet er. Als eine Frau
mit einem Kinderwagen aus dem Haus kommt, hält er ihr die Tür auf und geht
hinein. Das Holz der Stufen ist ausgetreten, vor den Wohnungstüren stehen
Regale mit Schuhen und Gerümpel, es riecht nach muffiger Kleidung und altem
Müll. Erst weiter oben verflüchtigt sich der Geruch und wird von dem Duft
angebratener Zwiebeln überlagert. Die Druskis wohnen im dritten Stock.
Der Kerl, der die Tür öffnet, füllt den Türstock komplett aus. Seine
Haare sind millimeterkurz geschoren, die Arme tätowiert bis unter die Ãrmel des
T-Shirts,
welches einen aufgedruckten Totenkopf zeigt und um den Brustkorb herum gehörig
spannt.
»Was willst du?«, fragt er und betrachtet Fernando wie ein lästiges
Insekt. Leute seiner Sorte wittern einen Polizisten normalerweise sofort, aber
die Motorradkluft und die öligen Locken, die Fernando heute zu einem
Pferdeschwanz gebunden hat, scheinen seine Instinkte in die Irre zu führen.
»Gehört Ihnen der schwarze Geländewagen da unten?«, fragt Fernando
schüchtern.
Die Augen in dem fleischigen Gesicht werden zu kleinen bösen
Schlitzen. »Und?«
»Mir ist da ein Missgeschick passiert ⦠Es ist wirklich nicht
schlimm, es ist nur ein Kratzer, aber ich dachte â¦Â«
Schon dröhnt die Stimme des Riesen durch die Wohnung: »Oleg, komm
her. Da hat einer dein Auto kaputt gemacht.«
Sekundenbruchteile später sieht sich Fernando einem Klon von Andrei
gegenüber. Oleg Druski macht zwei Schritte nach vorn und quetscht Fernando mit
dem Unterarm gegen die Wand des Treppenhauses. »Was hast du gemacht?«
»Nur ein Kratzer, ganz winzig. Ich bezahle die Reparatur. Vielleicht
sollten wir uns die Sache mal zusammen ansehen.«
Knurrend wie ein Rottweiler lässt Oleg von Fernando ab, greift sich
seine Jacke von einem Haken neben der Tür und sagt etwas zu seinem Bruder,
offenbar eine Aufforderung zum Mitkommen. Olegs Pranke schlieÃt sich um
Fernandos Arm, er drängt ihn zur Treppe: »Los.«
»Lass mich los, und sei nicht so unfreundlich. Ich hätte auch
abhauen können.«
»Ist wahr«, sagt Andrei, aber nun ist sein Argwohn geweckt. Er
bleibt auf dem Treppenabsatz stehen, sein Bruder ebenfalls. »Warum nicht, hä?«
Fernando legt den Kopf in den Nacken und schaut kleinlaut von einem
Quadratschädel zum anderen: »So eine Alte von gegenüber hat mich gesehen. Ich
hatte erst neulich Stress wegen Fahrerflucht, das brauche ich nicht schon
wieder.«
Andrei bedeutet Fernando mit einer Handbewegung weiterzugehen. Als
Fernando durch die Haustür tritt, schielt er verstohlen nach allen Seiten.
Niemand ist auf der StraÃe.
Mit raschen Schritten nähern sich die Brüder Druski dem Jeep. Sie
umkreisen ihn in gebückter Haltung.
»Ich seh nix«, sagt Oleg.
»Ich auch nicht«, sagt Andrei, der sich nervös umschaut.
Der riecht den Braten, erkennt Fernando.
»Wo ist der Kratzer?«, fragt Oleg gefährlich leise.
Fernando nähert sich in Zeitlupe. Jetzt heiÃt es Zeit schinden. »Ja,
ich weià nicht ⦠Ich glaube, das ist das falsche Auto.«
»Hä?« Andrei fährt herum und packt Fernando an seiner Jacke. »Willst
du mich verarschen, du Spaghetti?
Auf der anderen StraÃenseite öffnet sich eine Haustür. Zwei Männer
kommen heraus.
»ScheiÃe, Bullen!« Die Erkenntnis kommt zu spät. Es gibt ein kurzes
Handgemenge, dann liegt Andrei am Boden. Handschellen schnappen zu. Oleg hat
einen Moment gezögert, hin- und hergerissen zwischen den Möglichkeiten, zu
fliehen oder seinem Bruder zu helfen.
Fernando erleichtert ihm die Entscheidung, indem er ihm vors
Schienbein tritt und einen Handkantenschlag zwischen die Hautfalten seines
Nackens setzt. »Spanier! Nicht Spaghetti!«, klärt er ihn auf. Auf diese
Unterscheidung legt Fernando Wert.
Oleg schafft es, im Taumeln einen Faustschlag
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