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Der Tote vom Maschsee

Der Tote vom Maschsee

Titel: Der Tote vom Maschsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Bittermandel
ausspucken. »Dem werde ich die Hammelbeine langziehen!«
    Â»Es war nicht Sören. Das war Mums Idee.«
    Â»Sabine?«, fragt Völxen, nicht sicher, ob er und seine Tochter auch
wirklich über ein und dieselbe Person sprechen.
    Â»Sie hatte noch ein bisschen Lebensmittelfarbe übrig. Keine Sorge,
das wäscht sich raus.«
    Völxen erlaubt sich nun doch ein zögerliches Grinsen. Irgendwie
sieht das Schaf ja ganz schick aus, und die anderen Tiere scheint es nicht zu
stören. Wahrscheinlich sind Schafe ohnehin farbenblind, wie Hunde. Sollen sich
Köpcke und Konsorten doch die Mäuler zerreißen, er kann seine Schafe
herrichten, wie er möchte.
    Â»Du warst ja ewig weg. Was war’s denn für eine Leiche?«, will Wanda
nun wissen und erstickt damit den Anflug guter Laune im Keim.
    Â»Ich mag jetzt nicht darüber sprechen«, wehrt Völxen ab.
    Wanda trollt sich wieder. Nachdenklich bleibt Völxen am Zaun stehen.
Schon während des Fußballspiels ist er immer wieder ins Grübeln verfallen,
woran sicherlich das eher fade Spiel mit schuld war. Ein 1:0-Arbeitssieg,
immerhin.
    Der Mord an Frau Dilling könnte eine Verdeckungstat sein, wie Oda
schon bemerkte. Aber was, wenn nicht? Was hatten Martin Offermann und Irene
Dilling gemeinsam, das ein Mordmotiv hergibt? Dazu fällt ihm nichts ein. Also
einen Schritt zurück. Was haben die beiden überhaupt für Berührungspunkte? –
Einen gemeinsamen Fernsehauftritt. Ein gemeinsames Thema, aber unterschiedliche
Standpunkte. Dann dieser Michael Strauch: Offermann war sein Gutachter, Irene
Dilling hat gegen seine Entlassung polemisiert. Was gibt es noch für gemeinsame
Nenner? Liliane Fender. – Sie hat beide gekannt. Aber warum in aller Welt
sollte diese Frau zwei Morde begehen?

Sonntag, 22. April
    Â»Es ist ja nicht so, dass ich mit meinem Leben ohne deinen
Vater nichts anzufangen wüsste. Im Gegenteil, ich kann endlich dorthin reisen,
wo er nie hinwollte, ich muss ihm nichts mehr hinterher räumen, und endlich
kann ich das Haus so einrichten, wie ich es gerne möchte. Und den Garten
genauso. Dein Vater hatte ja nie Geschmack. Aber es ist dennoch einfach
demütigend, verstehst du das? Wie oft habe ich Pläne geschmiedet, ihn zu
verlassen. Eigentlich täglich. Aber ich habe es nicht getan, ich dummes Schaf.
Aus Anstand, aus Phlegma, ach, ich weiß es nicht. Ich habe jedenfalls durchgehalten.
Und dann kommt so ein blondes Flittchen daher, das ihn vermutlich anhimmelt,
den großen Herrn Professor … Aber was will man dagegen sagen, wenn schon die
Spitzenpolitiker der C-Parteien nicht besser sind? Anscheinend ist es unter
den angegrauten Herren der Gesellschaft gerade en vogue ,
die Frau auszutauschen gegen ein jüngeres Modell. Wie einen Leasingwagen, bevor
der Lack stumpf wird und die ersten Reparaturen fällig werden. Und für so einen
habe ich meine Karriere an den Nagel gehängt.«
    Jule seufzt. Sie hätte den Sonntagvormittag lieber in ihrer Wohnung
zugebracht und ausgenutzt, dass ihr Vater im Moment bei seiner neuen Flamme
ist. Aber ihr schlechtes Tochtergewissen hat sie hierher geführt, und nun
lauscht sie seit einer Viertelstunde der Tirade ihrer Mutter. Es scheint ihr
gut zu tun, sich mal richtig auszukotzen. Jule hat das Gefühl, dass sie ihr
diesen Dienst schuldet. Sie sitzen im Wohnzimmer, das ihre Mutter »den Salon«
nennt. Jule fühlt sich darin plötzlich fremd, wie in einer Hotelhalle, dabei
hat sich in dem Raum gar nichts verändert. Der schwarze Flügel, die Sofas aus
kieselgrauem, samtigem Leder, die Gemälde als rote Farbtupfer und die wenigen
exotischen Pflanzen – alles ist so kühl und unpersönlich, wie es immer schon
war. Die bodentiefen Fenster geben den Blick frei auf Buchsbaumgrüppchen und
riesige Rhododendren, die gerade die ersten Blüten öffnen.
    Auch ihre Mutter sieht aus wie immer, das Gesicht wie ein leerer
Teller, eine faltenlose Projektionsfläche für die großen braunen Rehaugen und
den roten Schmollmund. Vermutlich verhindert das Botox, dass sich der Kummer in
ihr Antlitz gräbt. Cordula Wedekin hat ihre Tochter nicht gefragt, wie ihre
erste Woche in der neuen Dienststelle war. Bestimmt ist ihr Jules berufliche
Veränderung entfallen, angesichts ihres eigenen Elends. Und nun hat diese
Tochter auch noch den Verrat begangen, den Abtrünnigen bei sich aufzunehmen.
    Jules Blick

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