Der Tote vom Maschsee
«, wiederholt Völxen affektiert.
»Ich muss noch kurz zur Dienststelle. Ich komm dann nach.«
Sabine verdreht stumm die Augen.
»Das ist ein schönes Kleid, ist das neu?«
»Spar dir die Verrenkungen. Ich entschuldige dich. Und das Kleid ist
uralt, wir haben es 1995
zusammen in Spanien gekauft. Als wir diesen Landsitz noch nicht hatten und uns
noch Urlaubsreisen leisten konnten.«
»Ah, ich erinnere mich«, lügt Völxen. »Du siehst aber immer noch
sehr hübsch darin aus.« Das meint er nun wirklich ehrlich.
»Danke.«
»Was ist das für eine Flasche, die du da eingepackt hast?«
»Schampus.«
»Doch nicht etwa der, den mir der Vize zu Weihnachten geschenkt
hat?«, argwöhnt Völxen.
»Ich habe vergessen, ein Geschenk zu besorgen.«
»Du kannst doch nicht den Schampus vom Vizepräsidenten an Hanne
Köpcke verschwenden!«
»Bodo, sei nicht so ein Geizkragen!«
»Das ist, wie Perlen vor die Säue werfen. Die kann Champagner nicht
von Prosecco und Spumante unterscheiden«, ereifert sich Völxen.
»Denk daran: Was du deinem Nächsten gibst, bekommst du tausendfach
zurück«, gurrt Sabine und verlässt mit der Flasche das Haus.
»Was soll ich denn mit tausend Flaschen Pommery?«, ruft ihr Völxen
hinterher.
In der Polizeidirektion herrscht eine wohltuende Stille.
Eigentlich sind Sonntage die besten Tage, um in Ruhe zu arbeiten, denkt der
Kommissar. Wenn man davon absieht, dass die Cafeteria geschlossen ist und die
anderen Behörden, auf deren Auskünfte man oftmals angewiesen ist, alle nicht
ansprechbar sind.
»Morgen Nowotny«, begrüÃt er den diensthabenden Beamten seiner
Abteilung, der in seinem Büro sitzt und ein Fischbrötchen verspeist. Der ganze
Raum riecht penetrant nach rohen Zwiebeln.
»Mahlzeit, der Herr.«
»Wo sind eigentlich die Unterlagen aus Offermanns Schreibtisch?«
»Dem Schreibtisch in der Wohnung oder dem in der Praxis?«
»Beide.«
Nowotny legt das Brötchen beiseite und zerrt zwei Kartons aus einem
Metallregal. »Was suchst du denn?«
»Das weià ich selbst noch nicht.« Völxen schleppt die Kartons in
sein Büro. Rechnungen, Arztbriefe, Folien für Vorträge, eine dünne Mappe, auf
der Dr. L. Fender steht. Er blättert sie auf. Gleich
vorn ist der Vertragsentwurf für den Einstieg in die Praxis, dahinter die
Bewerbungsunterlagen von Dr. Fender: Eine Kopie ihrer Doktorarbeit â Psychoanalytische Gruppentherapie von jugendlichen Patienten mit
depressiven Störungen  â, ihr Universitätsdiplom, das Anschreiben mit
handgeschriebenem Lebenslauf, ihr Abiturzeugnis. Notendurchschnitt 1,4.
Das Zeugnis ist ausgestellt worden vom Matthias-Claudius-Gymnasium
in Gehrden im Jahr 1994.
Wenn sie in Gehrden zur Schule gegangen ist, dann hat sie wahrscheinlich auch
dort oder im näheren Einzugsbereich gewohnt, kombiniert Völxen. Im Lebenslauf
wird kein anderes Gymnasium aufgeführt. Er geht zurück zu Nowotny.
»Ich brauch noch mal die Bänder von diesem Strauch. Und das
Diktiergerät.«
Nowotny öffnet einen Spind und händigt ihm beides aus, und nach
einigem Vor- und Zurückspulen hat Völxen die Stelle gefunden, die er gesucht
hat.
»Im Sommer â90. Dachte, das muss ich mir nicht bieten lassen, es gibt ja
massenweise neue Jobs. Maueröffnung und all das.«
»Haben Sie dann eine neue Arbeit bekommen?«
»Erst mal musste ich umziehen. War ja eine
Werkswohnung.«
»Wo sind Sie hingezogen?«
»Nach Gehrden â¦Â«
Völxen spult etwas weiter.
»Sie haben also gekündigt.«
»Ja, ich habe dann so rumgejobbt, aber das war
auch nicht so dolle. Die Wohnung in Gehrden wurde dann zu teuer. Die bezahlen
nämlich so Aushilfsjobs ganz miserabel.«
»In Gehrden haben Sie allein gelebt?«
»Ja.«
»Warum dann ein Bungalow?«
»Weià nicht. Hat mir gefallen. Mit Garten und so.
Ich dachte, Frauen mögen so was.«
Völxen schaltet das Gerät ab und schaut nachdenklich aus dem Fenster
in den wolkenlosen Himmel. Wozu, fragt er sich, braucht ein einzelner Mann, ein
Gelegenheitsarbeiter, ein ganzes Haus?
»Dann kann ich mir ja den Sarg kaufen.«
Oda muss die Fäuste ballen und sich abwenden. Zu groà ist der Drang,
ihrer Tochter eine zu kleben. Dann kann ich mir ja den Sarg
kaufen ist Veronikas Reaktion auf Odas
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