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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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ersten Mal seit drei Wochen. Er war oben in Saaren bei einem Onkel gewesen. Hatte gejobbt und Ferien gemacht; sie hatten einige Male miteinander telefoniert, hatten den »Fall« diskutiert, aber sie hatte ihm noch nicht gesagt, dass sie ihre Pläne geändert hatte. Das hatte sie sich für diesen Abend aufgehoben. Besser, wir machen das von Angesicht zu Angesicht, hatte sie gedacht.
    Es war ein warmer Abend. Als sie zum Strand kam, war sie schon leicht verschwitzt, obwohl es doch nur ein kurzer Spaziergang gewesen war. Aber hier unten war es kühler. Eine leichte, angenehme Brise wehte vom Meer her, sie streifte ihre Stoffschuhe ab und ging barfuß durch den Sand. Es war ein angenehmes Gefühl, die kleinen Sandkörner zwischen den Zehen zu spüren. Sie kam sich fast wieder vor wie ein Kind. Für den Nagellack war das natürlich gar nicht gut, am Pier würde sie die
Schuhe sofort wieder anziehen müssen. Ehe sie IHN traf. Sie dachte an ihn immer in Großbuchstaben. Das war er wert. Aber wenn er danach mit ihr schlafen wollte, wollte er sie sicher barfuß haben. Was aber vielleicht keine Rolle spielte, er war bei solchen Gelegenheiten eher weniger an ihren Zehennägeln interessiert.
    Und warum sollte er nicht mit ihr schlafen wollen? Sie hatten sich doch ewig nicht gesehen, zum Henker!
    Sie blieb stehen und nahm sich eine neue Zigarette. Ging dann ein wenig näher zum Wasser, wo der Boden fester war, was das Gehen erleichterte. Der Strand war um diese Zeit nicht überlaufen, aber noch lange nicht menschenleer. Ab und zu tauchte ein Jogger oder ein Hundehalter auf, und sie wusste, dass oben zwischen den Dünen Jugendliche auf ihren Decken lagen, das war im Sommer immer so. Sie machte das bisweilen auch, und vielleicht würde sie in einer Stunde ebenfalls dort liegen.
    Vielleicht, vielleicht auch nicht.
    Es kam sicher auf seine Reaktion an. Sie versuchte, sie sich vorzustellen. Ob er wütend werden würde? Würde er sie packen und schütteln, wie damals in Horsens, als sie high vom Hasch erklärt hatte, wie toll sie Matti Freges Muskeln fand?
    Oder würde er sie verstehen und ihr Recht geben?
    Vielleicht würde er versuchen, sie zu überreden. Das war natürlich denkbar. Vielleicht würde seine gewaltige Liebe sie dazu bringen, ihre Meinung noch einmal zu ändern. Was das Geld betraf, natürlich. Wäre das denkbar?
    Nein, das glaubte sie nicht. Sie fühlte sich stark und sicher in ihrem Entschluss, wo immer der herstammen mochte. Vielleicht lag es einfach daran, dass sie einige Wochen allein und in Ruhe hatte nachdenken können.
    Aber sie wusste, dass seine Liebe riesengroß war. Das sagte er oft, ja fast bei jeder Begegnung. Irgendwann würden sie zusammenziehen, das wussten sie schon seit langer Zeit. Zweifel gab es keine mehr. Sie brauchten nichts zu überstürzen.

    Was sie dagegen brauchten, war Geld.
    Geld für Essen. Für Zigaretten und Klamotten und eine Wohnung. Vor allem in der Zukunft würden sie natürlich Geld brauchen, und deshalb hatten sie doch ursprünglich ihren Entschluss gefasst ...
    Ihre Gedanken wanderten in ihrem Kopf hin und her, und sie spürte, dass sie sie nur schwer unter Kontrolle brachte. Oder darin Ordnung schaffen konnte. Sie musste auf so vieles Rücksicht nehmen, und am Ende wusste sie dann nicht mehr ein noch aus. Das war fast immer so. Es wäre schön gewesen, wenn ihr jemand die Entscheidungen abgenommen hätte. Das dachte sie oft. Wenn sich jemand um die wichtigen Angelegenheiten gekümmert hätte, damit sie über das nachdenken konnte, worüber sie gern nachdachte.
    Vielleicht ist auch das ein Grund, warum ich mich in ihn verliebt habe, überlegte sie jetzt. In IHN. Er traf gern die Entscheidungen, wenn es sich um Zusammenhänge handelte, die ein bisschen größer und komplizierter waren. Wie in diesem Fall, um den es jetzt ging. Ja, sicher war das auch ein Grund, warum sie ihn liebte und mit ihm zusammen sein wollte. Wirklich. Obwohl der letzte Entschluss wohl doch nicht so gut gewesen war, weshalb sie sich gezwungen gefühlt hatte, ihre Pläne zu ändern. Wie gesagt.
    Sie hatte jetzt den Pier erreicht und schaute sich im letzten Abendlicht um. Noch war er nicht gekommen, sie war einige Minuten zu früh. Sie könnte weiter über den Strand gehen, ihm entgegen, er kam von der anderen Seite, wohnte draußen in Klimmerstoft, aber sie tat es dann doch nicht. Sie setzte sich auf einen der niedrigen Steinpfeiler, die zu beiden Seiten des Piers aufragten. Steckte sich noch eine Zigarette

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