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Der Tote vom Strand - Roman

Der Tote vom Strand - Roman

Titel: Der Tote vom Strand - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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auch nicht.
    »Mein Urlaub fängt in zwei Stunden an«, sagte sie und versuchte ein mildes Lächeln.
    »Er sitzt draußen in Lejnice«, sagte Reinhart gelassen. »Wirklich hübsch dort. Ein Tag reicht sicher. Höchstens zwei. Hrrm.«
    Moreno erhob sich und ging zum Fenster. »Aber wenn du ihn lieber hier empfangen willst, dann ist das auch kein Problem«, schlug Reinhart hinter ihrem Rücken vor.
    Sie schaute auf die Stadt und das Hochdruckgebiet hinaus. Es war nur einige Tage alt und schien sich zu halten. Das hatte Frau Bachman aus dem ersten Stock gesagt, und die Meteorologen im Fernsehen hatten es wiederholt. Sie beschloss, keine Antwort zu geben. Nicht ohne einen guten Anwalt oder ein erklärendes Angebot. Zehn Sekunden vergingen, und sie hörte nur das Verkehrsrauschen aus der Stadt und das leise Klappern von Reinharts Badeschlappen, als er die Füße übereinander schlug.
    Badeschlappen?, dachte sie. Der könnte sich ja wohl mindestens ein Paar Sandalen zulegen. Ein Kriminalkommissar in blauen Plastikschuhen?
    Vielleicht war er in der Mittagspause schwimmen gewesen und hatte vergessen, die Schuhe zu wechseln? Oder er hatte eine Besprechung mit dem Polizeipräsidenten gehabt und betrachtete
die Badeschlappen als eine Art irrsinnigen Protest? Bei Reinhart wusste man nie, er liebte solche symbolischen Handlungen.
    Am Ende gab er auf.
    »Verdammt«, sagte er. »Reiß dich zusammen, Frau Inspektor. Wir suchen seit Monaten nach diesem verdammten Blödmann. Und jetzt hat Vrommel ihn sich gekrallt...«
    »Vrommel? Wer ist Vrommel?«
    »Der Polizeichef in Lejnice.«
    Widerwillig dachte Moreno nach. Sie hatte Reinhart noch immer den Rücken zugekehrt, während das Bild Lampe-Leermanns vor ihrem inneren Auge auftauchte... kein großer Name in der Unterwelt, das nicht, aber er war wirklich seit geraumer Zeit gesucht worden. Er hatte vermutlich im März und April an bewaffneten Raubüberfällen mitgewirkt, aber darum ging es jetzt nicht. Jedenfalls nicht in erster Linie.
    In erster Linie ging es um seine Kontakte zu gewissen anderen Herren, die von beträchtlich gröberem Kaliber waren als er selber. Spitzen des so genannten organisierten Verbrechens, um einen abgegriffenen Ausdruck zu verwenden. Die Verbindung stand zweifelsfrei fest, und Lampe-Leermann war dafür bekannt, dass er gern plauderte. Bekannt dafür, dass er — in bestimmten Notsituationen zumindest — lieber an seine eigene Haut dachte und deshalb seine illegalen Kenntnisse gern mit der Polizei teilte. Falls es seinen Zwecken diente und mit der nötigen Diskretion behandelt wurde.
    Und das war in diesem Fall möglich. Es gab jedenfalls Grund zu dieser Annahme. Reinhart ging offensichtlich davon aus, und Moreno neigte dazu, ihm zuzustimmen. Zumindest im Prinzip. Und deshalb hatten sie ein wenig intensiver nach Lampe-Leermann gefahndet, als das sonst der Fall war. Und deshalb hatten sie ihn gefunden. Ausgerechnet heute.
    Doch dass er ausgerechnet Inspektorin Moreno sein Herz ausschütten wollte, kam ja doch recht unerwartet. Diesen Aspekt hatten sie nicht bedacht. Sie nicht und die anderen auch
nicht. Das tat nur irgendein böswilliger Machthaber aus dem Jenseits... ja, zum Teufel, dass sie aber auch nie...
    »Er mag dich«, riss Reinhart sie aus ihren Gedanken. »Das braucht dir nicht peinlich zu sein. Ich glaube, er weiß noch, dass wir vor ein paar Jahren mit ihm böser Bulle/lieber Bulle gespielt haben... na ja, so ist es nun einmal. Er will mit dir und mit keinem anderen sprechen. Aber du hast ja nun Urlaub, klar.«
    »Genau«, sagte Moreno und kehrte zu ihrem Sessel zurück.
    »Es ist nicht so weit nach Lejnice, glaube ich«, sagte Reinhart, »zwölf, dreizehn Kilometer, nehme ich an ...«
    Moreno gab keine Antwort. Sie kniff die Augen zusammen und riss die Gazette vom Vortag an sich, nachdem sie sie aus dem Zeitungschaos auf dem Tisch gefischt hatte.
    »... und dann fiel mir dieses Haus ein, zu dem du fahren willst. Liegt das nicht in Port Hagen?«
    O verdammt, dachte Moreno. Das hat er sich gemerkt. Er hat sich wirklich Mühe gegeben.
    »Ja«, sagte sie. »In Port Hagen, das stimmt.«
    Reinhart versuchte, wieder ein unschuldiges Gesicht zu machen. Wie der böse Wolf in Rotkäppchen, dachte Moreno.
    »Wenn ich mich nicht irre, dann liegt das in Reichweite«, sagte er. »Kaum mehr als zehn Kilometer oberhalb von Lejnice. Ich war als Kind einige Male dort. Du könntest ganz einfach...«
    Moreno ließ mit müder Geste die Zeitung sinken.
    »Na gut«,

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