Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)
Rezeption stecken lassen. Es gibt doch schließlich Handys. Ist das nicht nachvollziehbar?«
»Haben Sie mit Ihrem Mann telefoniert, während Sie bei Ihren Eltern waren?«
»Warten Sie – nein, an diesem Wochenende nicht.«
»Können wir weiter annehmen«, fuhr Batzko ungerührt fort, »dass Sie selbst weder am Montag noch am Dienstag versucht haben, Ihren Mann telefonisch zu erreichen?«
Sie ließ sich Zeit mit der Antwort. Gerald hatte den Eindruck, dass Edith Baumann nicht ihr Gedächtnis bemühte, sondern über die taktisch klügste Antwort nachdachte. Würde man, schien sie zu überlegen, später sein Handy finden und konnte damit eine Falschaussage überprüft werden?
»Wie gesagt – in einem eingespielten Team …«
»Also nein, fürs Protokoll«, sagte Batzko knapp.
Sie antwortete nicht, leerte stattdessen das zweite Glas Wasser.
»Wann sind Sie aus Bad Tölz zurückgekommen?«, fragte Gerald.
»Am Sonntagabend.«
»Mit Ihrem Wagen?«
Sie nickte. »Wenn ich mich richtig erinnere, war ich gegen zweiundzwanzig Uhr zurück in Englschalking. Ihre beiden Münchner Kollegen vom ›Tatort‹ hatten ihren Job jedenfalls schon erledigt.« Sie schickte ein ironisches Lächeln in Batzkos Richtung, was dieser jedoch bewusst übersah.
»Wäre es nicht naheliegend gewesen«, hakte Gerald nach, »erst am Montagvormittag zu fahren, zumal Sie Ihren Mann zu Hause sowieso verpassen würden?«
»Ja. Nein. Ich meine …« Sie drehte das leere Glas in der Hand, lehnte aber mit einer entsprechenden Geste ab, als Gerald anbot, es wieder zu füllen. »Sie müssen wissen, dass mein Vater an Parkinson erkrankt ist. Sein Zustand verschlimmert sich seit einigen Monaten rapide. Er will aber niemanden außer meiner Mutter und mir an sich heranlassen. Das ist extrem anstrengend und ermüdend. Ich war am Sonntagnachmittag so fertig, dass ich den Anruf einer Freundin zur willkommenen Notlüge umfunktioniert habe. Ich habe behauptet, ihr in einer privaten Angelegenheit am Montagmorgen helfen zu müssen.«
»Was haben Sie in den vergangenen beiden Tagen gemacht?« Batzko veränderte seine Position, sodass er ihr frontal gegenübersaß.
Edith Baumann lachte kurz auf, aber es klang hart und verbittert. »Nach dem Aufstehen eine halbe Stunde Joggen, dann Frühstück mit der Tageszeitung als Gesprächspartner, Hausarbeit, Telefonate mit Freundinnen, am Nachmittag einmal zum Schwimmen und einmal ins Fitnessstudio. Reicht das als grobe Skizze?«
»Sie haben keine Kinder?«
»Klang das Ihrer Meinung nach wie der Tagesablauf einer Mutter?« Sie hatte sich aufgerichtet, ihr Blick auf Gerald war voller Zorn. Dann wurde ihr bewusst, dass sie sich im Tonfall vergriffen hatte. »Verzeihen Sie. Das war nicht der angemessene Stil. Unsere Kinder könnten ja längst erwachsen sein und woanders leben. Nein, leider haben wir vergebens auf Nachwuchs gehofft.«
»Dennoch haben Sie nicht weiter für Ihren Mann als Sekretärin gearbeitet.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nach unserer Hochzeit wurde ich tatsächlich schwanger. Außerdem war ich damit beschäftigt, das Haus in Englschalking einzurichten. Mein Mann hatte längst eine Nachfolgerin eingestellt, als ich das Kind im fünften Monat verloren habe. Ich bin dann nicht mehr in den Beruf zurückgekehrt. Wenn die Sekretärin krank ist oder in Urlaub, helfe ich allerdings im Büro aus. So sind Arndt und ich ein eingespieltes Team geblieben, das sich nicht durch tägliche Telefonate bestätigen muss.«
»Das erwähnten Sie bereits. Wir haben es mit einem Gewaltverbrechen zu tun, dessen Umstände uns noch Rätsel aufgeben«, sagte Batzko mit leichter Ungeduld in der Stimme. »Wurde Ihr Mann bedroht? Hatte er Feinde? Gab es in seiner Familie oder im Freundeskreis Streitigkeiten?«
Edith Baumann griff nach der Sonnenbrille, die sie auf den Schreibtisch gelegt hatte. Sie spannte ihren schmalen Oberkörper, als wollte sie im nächsten Augenblick aufstehen und den Raum verlassen.
»Nein. Wir haben einen eher kleinen, aber sehr harmonischen Freundeskreis. Arndts Eltern sind vor einigen Jahren gestorben, er war Einzelkind. Und beruflich – als Insolvenzverwalter hat man es naturgemäß mit Personen zu tun, die finanziell am Ende sind. Da kann es durchaus passieren, dass sich die Wut und die Aggressionen auf die Justiz richten, als wäre sie für das Desaster verantwortlich, so wie man früher den Boten ermordete, wenn er schlechte Nachrichten überbracht hatte. Gerade in seinem aktuellen Fall schien es
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