Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)
in diese Richtung zu gehen. Aber das müsste Ihnen seine Sekretärin genauer erklären können. Arndt hat es mir gegenüber eher beiläufig erwähnt, weil er diese Erfahrung natürlich schon häufiger gemacht hat. Ich kann Ihnen, fürchte ich, in dieser Frage nicht weiterhelfen.«
»Sie können mit dem Tatort nichts verbinden?«, bohrte Batzko nach. »Ging Ihr Mann gerne an der Isar spazieren, vielleicht verbunden mit einem Besuch im Biergarten? Hatte er Freunde, die dort in der Nähe wohnen?«
Sie nahm in einer entschlossenen Bewegung auch die Handtasche vom Schreibtisch und setzte die Sonnenbrille auf. »Nein und nochmals nein. Das alles ist unerklärlich für mich. Es tut mir Leid, aber ich spüre, dass ich mich jetzt ausruhen muss. Wenn Sie mir bitte ein Taxi bestellen würden.«
»Ein Kollege wird Sie fahren, wie heute Vormittag«, sagte Gerald. »Da ist im Augenblick nur noch eine Sache.«
Er griff in die Schublade und holte den Schlüsselbund heraus.
»Der befand sich in der Jackentasche Ihres Mannes. Zwischenzeitlich haben wir feststellen können, dass auch seine Fingerabdrücke darauf sind. Kennen Sie diese Schlüssel, Frau Baumann?«
Sie setzte die Sonnenbrille wieder ab und warf einen nicht mehr als flüchtigen Blick darauf. »Nein. Sie gehören weder zu unserem Haus noch zu seinem Büro im Lehel. Wir haben weder ein Ferienhaus noch eine Zweitwohnung oder einen Schrebergarten. Außerdem würde es mich überraschen, wenn ein Obdachloser über Immobilienbesitz verfügen würde.«
Mit diesem Satz verließ sie den Raum.
Wenn es einen weiblichen Gegenentwurf zu Edith Baumann gab, dann war es Regine Weinzierl. Die Sekretärin von Arndt Baumann war klein, mollig und verströmte eine geradezu mütterliche Fürsorglichkeit.
»Eine Erfrischung würde Ihnen sicher guttun bei diesen Temperaturen«, sagte sie, den Türgriff in der Hand, und noch bevor die beiden Kommissare überhaupt antworten konnten, fuhr sie fort: »Gehen Sie bitte einfach voraus in mein Büro, gleich rechts. Die Tür ist offen. Ich komme sofort.«
Sie hielt Wort. Während Gerald und Batzko noch einen Blick auf die Einrichtung warfen, die sich in nichts von der eines klassischen Vorzimmers unterschied, war sie schon wieder zurück und stellte ein Tablett mit einer Flasche Mineralwasser, einer Karaffe Orangensaft, einer Schale Eiswürfel und zwei Gläsern auf den runden Besuchertisch. Trotz ihrer Körperfülle bewegte sich Regine Weinzierl flink und leichtfüßig. Sie trug ein blaues, knielanges Kleid in Glockenform.
»Es ist schrecklich! Ein Albtraum! Ich habe das Foto gesehen und dachte, die Erde öffnet sich unter mir«, sagte sie und setzte sich. Im hellen Mittagslicht, das durch die Fenster fiel, zeichneten sich winzige Schweißperlen über ihrer Oberlippe ab. Regine Weinzierl hatte ein rundes Gesicht mit vollen Lippen und großen, blaugrünen Augen. Wenn sie sprach, zeigten sich Grübchen auf ihren Wangen. Sie trug vergoldete Kreolen, die ihrem Gesicht etwas Verspieltes verliehen. Gerald mochte sie auf Anhieb, im Gegensatz zu Edith Baumann missverstand sie weibliche Ausstrahlung nicht als Ergebnis knochenharter, humorloser Arbeit an sich selbst, dachte er bei sich.
»Aber Sie haben ihn am Montag und Dienstag offenbar nicht vermisst. Unseren Informationen zufolge hatte er sich zu einer auswärtigen Fachtagung angemeldet«, sagte Batzko.
»Wer sagt denn das ?« Regine Weinzierl wirkte vollkommen überrascht. »Ich weiß von keiner Tagung. Glauben Sie mir, ich arbeite … verzeihen Sie, ich habe über fünfzehn Jahre für Herrn Baumann gearbeitet. Jeder Brief, jede Einladung geht über meinen Schreibtisch. Ich hätte doch wie üblich die Reise und die Unterbringung für ihn koordiniert. Das sind meine Aufgaben. Nein, er hat mir gesagt, dass er Freunde in Hamburg besuchen und am Mittwoch wieder im Büro sein würde.«
Gerald und Batzko wechselten einen schnellen Blick.
»Und Sie haben auch in den vergangenen zwei Tagen nicht versucht, ihn telefonisch zu erreichen?«
»Nein. Dazu gab es keine Veranlassung.« Nach einem kurzen Moment nahm Regine Weinzierl gedankenverloren ein Stück Eis aus der Schale und fuhr damit leicht über die Innenseiten der Handgelenke. Dann wurde ihr schlagartig bewusst, dass sie nicht alleine war. »Oh, entschuldigen Sie, das ist mir jetzt peinlich. An heißen Tagen mache ich das manchmal. Ich schwitze so leicht und vertrage keine Ventilatoren. Das sind die reinsten Virenschleudern. Es wirkt Wunder, wissen
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