Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)
bringt auch wenig ein, sage ich ihm immer. Das hört er natürlich nicht gerne von mir, deshalb geht er auch in die Gastwirtschaft gegenüber. Aber in seinem Alter, selbst wenn man sich bemüht …«
Sie führte den Satz nicht zu Ende, weil sie heftig schluchzen musste. Sie murmelte »Verzeihung«, und drängte die Kommissare mit einer entschlossenen Bewegung aus der Kanzlei.
6
Draußen, auf der Steinsdorfstraße, ließ Gerald den Blick über die träge Isar in ihrem hochsommerlich flachen Flussbett schweifen. Auf der anderen Seite der schmalen Insel, unterhalb des Müllerschen Volksbads, lagen die Sonnenhungrigen am Ufer, Studenten, Schüler, Angestellte, die sich morgens mit Blick auf den Himmel möglicherweise krankgemeldet hatten, Grillfreunde, Lebenskünstler und, immer etwas abseits und in kleinen Gruppen, die Obdachlosen. Zu ihnen hatte Arndt Baumann sicher nicht gehört, aber selbst nachdem er seine Frau und sein Arbeitsumfeld kennengelernt hatte, konnte sich Gerald immer noch kein klares Bild davon machen, wer Arndt Baumann stattdessen gewesen war.
Batzko stieß Gerald in die Seite und zeigte auf seine Armbanduhr. »Kantine oder eine Kleinigkeit hier um die Ecke, am Isartor?«
Gedankenverloren nickte Gerald, woraufhin Batzko die Augenbrauen hochzog. »Was jetzt?«
»Isartor«, sagte Gerald. Möglicherweise hatte auch Arndt Baumann mittags hier in der Nähe eine Kleinigkeit gegessen und danach einen kleinen Spaziergang am Fluss gemacht.
Sie gingen in ein kleines indisches Restaurant und bestellten Hühnerfleisch mit Curry, mittelscharf, von der Mittagskarte. Die Stühle und Tische standen so eng beieinander, dass Batzko Mühe hatte, eine bequeme Sitzposition zu finden. Die Küche war in das Lokal integriert, sodass man jede einzelne Bewegung der beiden Köche beobachten konnte.
»Schlimmer ist es nur noch in irgendwelchen Fast-Food-Restaurants, wo Tische und Stühle im Fußboden festgeschraubt sind. Mag bequem sein für die Kids, aber für mich fällt es unter Folter. Da fällt mir übrigens ein, siehst du deinen Sohn am Wochenende?«
Gerald wich dem Blick seines Kollegen aus. »Vermutlich nicht. Es gab jedenfalls noch keine Entwarnung, was Severins Infektion angeht.«
Batzko wischte Messer und Gabel mit der Serviette ab; ein Automatismus, dem er überall, in der Kantine, in einem Restaurant, sogar bei privaten Einladungen, folgte. »Nach unserer Trennung hätte meine Ex mich am liebsten mit glühenden Zangen kastriert, aber sie hat nie die Kinder gegen mich ausgespielt. Vermutlich verstehen wir uns deshalb jetzt wieder relativ gut. Das heißt – besser als nur relativ gut. Soll ich dir etwas verraten?«
»Deinem Gesichtsausdruck nach werde ich es kaum verhindern können.«
Batzko kostete den Moment aus und trank in Ruhe einen großen Schluck von seinem alkoholfreien Bier. »Gelegentlich steigen wir wieder zusammen in die Kiste.«
Gerald zog die Augenbrauen zusammen. »Ich dachte, sie lebt längst wieder in einer festen Beziehung.« Er hörte selbst, wie gereizt seine Äußerung klang. Sein eigenes Sexleben war im vergangenen Jahr nahezu zum Erliegen gekommen, während Batzko offensichtlich aus dem Vollen schöpfte.
»Gib hier nicht den Ersatzpfarrer, Kollege. Es hat nie aufgehört, zwischen uns zu knistern. Wir waren damals einfach zu jung, um zu heiraten, die Kinder kamen zu früh und zu schnell hintereinander, ich habe eifrig links und rechts des Weges geschaut in dieser wahnsinnigen Panik, dass mit den Kindern das eigene Leben aufhört. Das ist aber nun mal passiert. Daran kann man auch nichts mehr ändern. Heute würden wir es packen, das spüren wir beide, aber sie bleibt trotzdem bei diesem Typen. Natürlich kann er mir nicht das Wasser reichen, aber er ist solide und verlässlich, und sie kommt, wie sie sagt, in ein Alter, in dem ihr so etwas wichtig ist.«
Der indische Kellner, der sehr höflich war, aber weder Gerald noch Batzko in die Augen sah, brachte das Essen. Es war nicht einfach, die beiden Teller, die Schalen mit dem Fleisch und den Reis auf dem handtuchschmalen Tisch unterzubringen.
Nach den ersten Bissen sagte Batzko unvermittelt: »Die Weinzierl ist eine redselige Glucke, scheint mir. Meint es gut mit allen und ist genau deshalb schwer auszuhalten, meinst du nicht? Sie glaubt wahrscheinlich, dass es sich bei Baumanns Tod nur um einen Racheakt, eine gescheiterte Entführung oder um einen willkürlichen Gewaltakt handeln kann. Die Ehefrau von Baumann scheint sich vor allem
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