Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)
überdimensionalen Foyer wider.
Als sich die Aufzugtüren geschlossen hatten, sog Batzko die Luft demonstrativ mit der Nase ein und schnüffelte wie ein Zollhund vor einem Gepäckstück am Flughafen. »Du bist betrunken!«
Gerald wich dem Blick des Kollegen aus. »Ich habe getrunken, aber ich bin nicht betrunken. Das ist ein entscheidender Unterschied.« Beim Spaziergang durch die Feldmüllersiedlung am Freitag hatte Gerald besser verstanden, warum Batzko Alkohol nur in geringen Mengen zu sich nahm und insgeheim jeden Betrunkenen verachtete – auch jeden angeschickerten Kollegen auf Weihnachtsfeiern und Betriebsausflügen. Um Batzko milder zu stimmen, fügte er hinzu. »Ich hatte jemanden zum Essen bei mir eingeladen.«
»Plan B?«
Der Aufzug hielt. Gerald stand näher an der Tür und nutzte die Gelegenheit, einer Antwort zu entkommen.
»Lass mich reden, bleib hinter mir und kotz mir bloß nicht auf die Klamotten«, zischte Batzko. Es war gar nicht so einfach, in dem riesigen Flur die richtige Wohnung zu finden. Sie teilten sich auf und lasen die Namensschilder an den Türen. Schließlich pfiff Batzko kurz und klingelte.
Zunächst warteten sie vergeblich auf eine Reaktion, und der Kommissar klingelte ein zweites Mal, diesmal doppelt so lange. Schließlich hörten sie langsame Schritte im Flur, ein Schatten warf sich vor den Lichtpunkt, der durch das Guckloch fiel, und die Tür wurde geöffnet.
»Ja? Bitte? Sie wünschen?« Eine weiche, sehr klangvolle Stimme. Sie gehörte zu einem Mann Ende vierzig, groß und korpulent. Er hätte als echtes bayrisches Mannsbild durchgehen können, wenn er nicht gleichzeitig etwas schwammig gewirkt hätte. Der Bauch unter dem weißen Bürohemd wölbte sich über den Gürtel, die Hamsterbacken nahmen dem bart- und brillenlosen Gesicht jede Kontur. Das stark ausgedünnte schwarze Haupthaar war gescheitelt und lag so flach auf dem Kopf, als wäre es aufgemalt.
»Herr Dr. Mostert? Wir möchten gerne ein paar Minuten mit Ihnen sprechen. Die Kollegen von der Streife haben uns angekündigt, denke ich.«
»Darf ich Ihre Ausweise bitte sehen?« Mostert zog eine Brille aus der Brusttasche des Hemdes und studierte beide Ausweise gründlich. »Aha. K-11, vorsätzliche Tötungsdelikte. Mordkommission, wie der Volksmund griffig, aber juristisch unpräzise sagt. Dann muss es wohl wichtig genug sein für den Besuch eines Bürgers in seiner Privatwohnung am Sonntagabend.«
Er trat zur Seite. »Die zweite Tür links bitte.«
Die Kommissare betraten ein Wohnzimmer, das Gerald überraschend klein fand und das seltsam unpersönlich wirkte. Ein dunkelbrauner Schrank mit integriertem Fernseher, eine Sitzgruppe und eine Stehlampe hatten gerade genug Platz in dem kleinen Raum. Auf keinen Fall aber jene Familie mit drei Kindern, die mehrere Fotos zeigten, die an der Wand hingen und die erkennbar in einem professionellen Studio aufgenommen worden waren. Sie zeigten Mostert zusammen mit einer deutlich jüngeren Frau mit hellblonden Locken und drei Töchtern, ungefähr zwischen acht und fünfzehn Jahren, in ihrem Aussehen ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Auf den Bildern lachten die Töchter und die Mutter, während Mostert, in einem dunkelgrauen Anzug, ernst und würdevoll wirkte. Als gehörte er irgendwie nicht zu ihnen, fand Gerald.
»Angesichts der späten Stunde wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie ohne große Umschweife zur Sache kommen würden«, sagte Mostert und ließ sich in einen der beiden Sessel fallen. Er griff mit der linken Hand in eine Schale mit Erdnüssen, die auf dem Tisch stand, neben einer weiteren mit Chips. Er wirkte konzentriert und angespannt. Gleichzeitig hatte Gerald den Eindruck, dass Mostert die vielleicht zwanzig Minuten bis zum Eintreffen der Kommissare genutzt hatte, um sich umzuziehen und frisch zu machen. Das weiße Hemd wirkte, als wäre es gerade erst vom Bügel genommen worden, die Haare lagen flach auf dem Kopf, weil sie feucht waren. Dazu die steife, graue Anzughose. Ein ungewöhnlicher Kleidungsstil, wenn man den Sonntagabend alleine in der Wohnung verbrachte. »Also, kommen wir direkt zur Sache«, begann Batzko und legte die Innenflächen der Hände gegeneinander. »Wir haben beobachtet, wie Sie Gegenstände aus einer Wohnung in Giesing getragen haben, in der sich nach zuverlässigen Zeugenaussagen auch der ermordete Arndt Baumann mehrmals aufgehalten hat.«
»Oh. Wie bitte? Ich verstehe nicht.« Mostert wirkte völlig überrumpelt. Er hatte in
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