Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)
Moment, in dem Mostert seine Selbstsicherheit kurz abgelegt hatte, auszunutzen. »Dürfte ich bitte kurz in Ihr Bad?«
Mostert erhob sich und begleitete Gerald bis zur Tür des Badezimmers. Es gab neben der Küche, die sich in gerader Linie an die Diele anschloss, nur noch einen weiteren Raum. Es musste folglich das Schlafzimmer sein. Da es anscheinend keinen Abstellraum gab, konnten die Dinge aus der Giesinger Wohnung sich nur dort befinden.
Gerald betrat das Badezimmer. Nach kurzer Zeit betätigte er die Spülung, wusch sich die Hände und öffnete leise die Tür. Aber Mostert erwartete ihn auf dem Gang. Er lehnte mit seinem massigen Rücken an der Schlafzimmertür. Nun erst realisierte Gerald, wie groß Mostert war, und dass er ihn um einen Kopf überragte. Der Ministerialdirigent zog den linken Mundwinkel langsam nach oben, beließ es aber bei einem Blick kühler Überheblichkeit.
Gerald lächelte demonstrativ freundlich. »Sehr höflich von Ihnen, dass Sie gewartet haben. Aber ich hätte mich vermutlich auf dem Rückweg nicht verlaufen.«
»Wer weiß«, sagte Mostert vieldeutig, als er hinter Gerald ins Wohnzimmer trat und sich wieder in seinen Sessel fallen ließ.
»Ich würde Sie abschließend gerne fragen, wo Sie heute, also Sonntag vor einer Woche, zwischen zweiundzwanzig Uhr und Mitternacht gewesen sind.«
»Der Tatzeitpunkt also. Warten Sie. Das ist einfach zu beantworten. Ich war in Fürstenfeldbruck bei meinem Bruder und dessen Familie. Er hat seinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert. Ich habe auch bei ihm geschlafen. Soll ich Ihnen Namen und Adresse geben?«
»Ich bitte darum.«
Mostert erhob sich, ging zum Wohnzimmerschrank und öffnete eine der unteren Schubladen. Sein mächtiger Bauch wölbte sich nach vorne und hätte ihn in ernste Gleichgewichtsprobleme gebracht, wenn er sich nicht mit der rechten Hand am Schrank abgestützt hätte.
Er reichte Batzko eine Visitenkarte. »Hier finden Sie alle Angaben. Und damit würde ich dann auch gerne unser Gespräch für diesen Abend beenden. Ich habe einen anstrengenden Tag im Ministerium vor mir. Sie können sich darauf verlassen, dass ich Ihnen nach Rücksprache mit meinem Anwalt für weitere Fragen selbstverständlich zur Verfügung stehe.«
Im Auto stieg Gerald wieder der Alkohol zu Kopf. Die Anspannung während des Gesprächs hatte ihn scheinbar verschwinden lassen, nun kehrte er mit doppelter Intensität und leichter Übelkeit zurück. Als Batzko hinter dem Herkomerplatz in den dritten Gang schaltete und beschleunigte, hielt sich Gerald das linke Ohr zu.
»Kannst du mich irgendwo rauslassen, wo ich eine U-Bahn erwische?«
»Ich fahre dich nach Hause. Aber wenn du noch mal sowas bringst wie heute, schicke ich dich zur Strafe zur Kirmeier, um mit ihr ein Gesprächsprotokoll aufzusetzen.«
Sie fuhren am Gasteig und am Deutschen Museum vorbei. Die Isar lag ruhig und von der Dunkelheit beinahe verschluckt in ihrem Flussbett. Vom Beifahrersitz aus konnte Gerald das Haus sehen, in dem Arndt Baumann seine Kanzlei hatte. Wenn er sich nicht täuschte, brannte in Baumanns Arbeitszimmer Licht. War seine Witwe dort, um nach Unterlagen zu suchen oder um private Dinge zu holen? Oder Frau Weinzierl? Wie auch immer – Gerald sah keinen zwingenden Anlass, das jetzt zu überprüfen.
»Übrigens kannte ich die Kirmeier natürlich«, riss ihn Batzko aus seinen Gedanken, »als Bub war ich oft in der Post. Ich habe jeden Pfennig, den ich hatte, auf mein Postsparbuch eingezahlt, damit mein Vater mein Bargeld nicht in die Kneipe trug. Das hat er zu gerne gemacht, rein in die Kneipe, sein Geld versoffen, zurück nach Hause, mir links und rechts eine gescheuert und mir das Geld abgenommen, nur geliehen, wie er hoch und heilig gelallt hat. Die Kirmeierin hat mich wohl nicht erkannt, weil ich als Bub so dünn war, vor Schüchternheit den Mund nicht aufbekam und nur auf den Boden gestarrt habe. Sport und Fitnesscenter kamen erst später.«
»Du wohnst doch immer noch ziemlich nah am Tegernseer Platz, wenn ich mich nicht täusche.« Tatsächlich war Gerald noch nie in der Wohnung seines Kollegen gewesen.
»Ja. Nur jetzt in südlicher Richtung.« Er machte eine Pause, bevor er, deutlich leiser, fortfuhr. »Giesing lässt mich nicht los. Ich habe die Jahre in meinem verkommenen Elternhaus gehasst, die Schläge von meinem Vater und die Prügel von meinem älteren Bruder, als er noch nicht untergetaucht war. Aber ich will nirgendwo anders leben. Weiß der Himmel,
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