Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)
Haus unterschied sich deutlich von seinen Nachbarhäusern: rechteckig, geweißt, pragmatisch wie ein Zweckbau, während zur Linken ein Klinkerbau mit schmalem, hohen Dach aufragte und sich zur anderen Seite hin ein zweistöckiges Wohnhaus mit Flachdach erstreckte. Sie öffneten das halbhohe Holztor und waren noch nicht bis zum Eingang gekommen, als Frau Baumann bereits in der Tür erschien. Sie trug einen leuchtend blauen Trainingsanzug. Um die Fesseln und Unterarme hatte sie zusätzlich reflektierende gelbe Klackbänder gelegt. Das Stirnband, das ihre langen, feinen Haare bändigte, war bunt gemustert. Bei diesem Outfit konnte ein Papagei vor Neid erblassen.
»Frau Baumann, Sie erinnern sich sicher an meinen Kollegen, Hauptkommissar Batzko …«
»Ich weiß genau, wer Sie sind«, unterbrach sie Gerald. Sie legte den Kopf in den Nacken, sah in den Himmel und zog die breiten, geschminkten Lippen missmutig zusammen. »Ob es halten wird, das Wetter? Die letzten Tage war es zum Laufen zu heiß, jetzt kühlt es endlich ab, aber die Wolken sehen nach Regen aus. Mir macht es weniger aus, aber die Autofahrer achten kaum auf uns. Seit sie vor zwei Monaten eine gute Freundin von mir zusammengefahren haben, gar nicht weit von hier …«
»Können wir uns bitte drinnen unterhalten?«, fragte Batzko knapp. Die Telefonliste lag zusammengerollt wie ein Staffelstab in seiner Hand.
»Gewiss. Natürlich. Einfach geradeaus ins Wohnzimmer.«
Es empfing sie ein freundlicher, doch auch etwas fantasielos eingerichteter Raum. In der Mitte dominierte eine helle Sitzgruppe aus Stoff das Zimmer, an den Wänden standen ein breiter Biedermeierschrank und ein Bücherregal, in dem die CD s und Videofilme längst die Oberhand über die Literatur gewonnen hatten. Zwei große, rechteckige Teppiche in kubistisch-angehauchten Motiven lockerten die steife Einrichtung ein wenig auf. Am Fenster befand sich ein runder Esstisch, auf dem noch die Reste des Frühstücks standen: eine Schale, eine Großpackung Müsli, eine Tasse, eine Teekanne und eine Zeitung. Das große Fenster mit Blick auf den Garten ließ trotz des bedeckten Himmels den Raum hell wirken.
»Haben Sie neue Erkenntnisse?«, fragte sie, nachdem sie auf der Couch Platz genommen hatte. Sie nahm das Stirnband ab, behielt es jedoch in der rechten Hand und fuhr mit der linken durch ihre Haare.
»Wir haben die Kleidung Ihres Mannes, sein Handy und seine Brieftasche in einer Wohnung in Giesing gefunden«, begann Batzko. »Dort hat er sich offenbar kurz vor der Tat aufgehalten, nach unseren Ermittlungen auch nicht zum ersten Mal. Es sieht so aus, dass diese Wohnung als eine Art Wochenendabsteige gedient haben könnte, für ihn und wohl auch noch für ein paar andere Personen.«
Gerald hatte Frau Baumann während Batzkos Worten genau beobachtet. Sie zeigte keine Regung, nicht einmal, als Batzko explizit gesagte hatte, dass Arndt Baumann nicht der einzige Nutzer der Wohnung gewesen war. Hätte sie nicht an eine andere Frau denken müssen? War sie so außergewöhnlich beherrscht? Oder hatte die Ehe nur noch auf dem Papier bestanden?
»Wissen Sie etwas darüber?«, hakte Batzko nach.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Tee? Kaffee? Ich brauche jedenfalls eine Erfrischung.« Die Kommissare verneinten, Edith Baumann stand auf, ging in die Küche und kam mit einem Glas Wasser zurück. Im Trainingsanzug wirkte sie noch größer und knochiger.
»Sie erzählen mir nichts Neues. Es ist allerdings sehr bedauerlich, dass ich diese Nachricht zuerst aus der Presse erfahren musste, und nicht von Ihnen. Und nein, es tut mir Leid, ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen. Zuerst dachte ich, es wäre nur die übersteigerte Fantasie eines Klatschreporters, doch da Sie es mir nun auch noch bestätigen … Aber ich weiß nicht, was es mit dieser Wohnung in Giesing auf sich hat.« Ihre Stimme klang so distanziert, als hätte sie das Kennzeichen ihres Autos angegeben.
»Vielleicht können Sie uns aber bei dieser Aufstellung helfen«, sagte Batzko, spürbar gereizter, und legte das Blatt vor ihrem Platz auf den Tisch. »Es sind die Personen, mit denen Ihr Mann in den letzten zwei Wochen vor seinem Tod telefoniert hat. Es wäre hilfreich zu wissen, welcher Name Ihnen etwas sagt.«
Sie beugte sich vor, nahm die Liste aber nicht in die Hand.
»Ich bin nicht sehr optimistisch, aber ich versuche natürlich, soweit es mir möglich ist, Ihnen zu helfen. Schauen wir also … das ist die Nummer seiner Kanzlei,
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