Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)
telefonisch zu erreichen. Leider vergebens. Hoffentlich meldet er sich bald auf die Nachricht auf dem Anrufbeantworter.«
Gerald sah etwas neidisch auf die zweite Semmel, die Batzko aus der Tüte holte. Er selbst hatte heute Morgen keinen Bissen herunterbekommen, sondern lediglich eine Tasse Kaffee getrunken. Der Duft des Zitronenhuhns hatte noch in der Luft gelegen.
»Wenn er hier nicht mehr gemeldet ist, müsste doch eine Hausverwaltung das Geschäftliche für ihn erledigen. Drei Immobilien in dieser Größenordnung verwalten sich doch nicht von selbst.«
»Keine Angaben vorhanden.« Batzko biss in die zweite Wurstsemmel, nachdem er das Salatblatt herausgenommen und in den Papierkorb geworfen hatte.
Das war das Signal für Gerald. »Ich gehe kurz zum Bäcker um die Ecke. Danach überlegen wir, wie wir als Nächstes vorgehen wollen.«
Als er fünf Minuten später zurückkam, lag ein Handy in einem durchsichtigen Plastikbeutel auf Batzkos Schreibtisch. Daneben ein Blatt Papier.
»Ist das Baumanns Handy?«
»Ein Kollege aus der Technik hat es gerade vorbeigebracht. Sie haben eine Aufstellung gemacht, mit wem Baumann im letzten Monat telefoniert hat. Es war nicht schwer, die PIN-Nummer zu knacken. Baumann hat sein Geburtsjahr verwendet. Die begrenzte Phantasie von Aktenmenschen hat manchmal Vorteile.«
»Jemand dabei, den wir schon kennen?«
Batzko nickte. »Mehrere Telefonate mit Mostert, seiner Frau – und mit Scharnagl. Mit ihm hat er das letzte Telefongespräch seines Lebens geführt, vorletzten Sonntag, nachmittags um 17.25 Uhr. Dauer des Telefonats: sechs Minuten und zweiundzwanzig Sekunden.«
»Also nur wenige Stunden vor seiner Ermordung. Davon hat uns Scharnagl nichts erzählt.«
»Wird er bald ausführlich nachholen müssen.« Batzko stand auf, die Liste in der Hand. »Fahren wir zu Baumanns Witwe und gehen wir mit ihr die Namen durch. Ich bin gespannt, ob sie leugnet, von der bizarren Wochenendbeschäftigung ihres Gatten gewusst zu haben.«
Am Herkomerplatz lenkte Batzko den Wagen zu Geralds Überraschung in die Oberföhringer Straße. Aber er sagte nichts. Denn wenn Batzko am Steuer saß, ließ er sich nicht von der Überzeugung abbringen, dass der von ihm gewählte Weg auch der beste und kürzeste war.
Als sie an dem Hochhaus vorbeifuhren, in dem Mostert wohnte, nahm Batzko die Hand vom Steuer und wies auf das Gebäude. »Wenn unser feiner Herr Ministerialdirigent sich bis morgen nicht gerührt hat, knöpf ich ihn mir persönlich vor. Zur Not gehe ich bis zum Staatsanwalt.«
»Diese Drohgebärde wird bei ihm nichts bringen. Wenn er sich selbst belasten würde, muss er nicht aussagen«, sagte Gerald. »Es kann gut sein, dass er sich darauf berufen wird, um nichts preisgeben zu müssen.«
»Was sollte er über Baumann nicht preisgeben wollen?«
»Ich glaube, es geht ihm weniger um Baumann als um sich selbst«, antwortete Gerald nach kurzem Nachdenken. »Wenn er über Baumann redet, über das, was sie in dieser Wohnung getrieben haben, müsste er gleichzeitig etwas über sich selbst offenbaren, und ich habe fast die Vermutung, dass das dem Bild des vorbildlichen Ministerialdirigenten erhebliche Kratzer zufügen wird.«
Mittlerweile näherten sie sich der Johanneskirchner Straße. »Ich würde hier an deiner Stelle rechts abbiegen«, versuchte es Gerald. »Englschalking haben wir bereits hinter uns gelassen.«
Missmutig setzte Batzko den Blinker. »Übrigens: Hast du gestern Abend noch einen Nachtisch bekommen?« Er grinste Gerald an und zwinkerte ihm mit dem rechten Auge verschwörerisch zu.
»Immerhin hast du bis zum späten Vormittag mit der Frage gewartet. So viel Diskretion bin ich von dir nicht gewohnt. Was nichts daran ändert, dass dich das nichts angeht. Konzentrier dich lieber auf den Verkehr, wenn du heute noch ankommen willst.«
Batzko fuhr durch schmale, rechtwinklig angeordnete Straßen und schimpfte. »Was ist das für ein komischer Flecken hier. Ein Labyrinth. Ohne Mitte, ohne Zentrum. Nur einfach Straßen und Häuser, ohne Leben. Hier würde doch selbst ein Hund Selbstmord begehen.«
Schließlich fanden sie die Putziger Straße. Das Haus der Baumanns besaß wie fast alle in der Nachbarschaft einen breiten Vorgarten, der Grenze zu den benachbarten Grundstücken mit hohen Bäumen bewachsen war. Das Gras war beinahe kniehoch, der kleine Nutzgarten mit einigen Sonnenblumen, die ihre Köpfe hängen ließen, wirkte ungepflegt, als ob man ihn sich selbst überlassen hatte. Das
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