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Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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gestern geschmeckt?«, fragte sie mit einer veränderten, weicheren Stimme.
    Er nickte. »Mir hat es sehr gut geschmeckt. Es war nur schade, dass ich plötzlich weg musste.«
    »Es ist dein Job – und ich habe nicht den Eindruck, dass du ihn hasst.«
    »Sicher nicht. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, was ich sonst tun sollte. Es ist manchmal hart, manchmal regelrecht erbarmungslos. Immer wieder bildet man sich ein, dass man verstanden hat, wie die Menschen ticken. Und dann hat man einen neuen Fall und steht wieder am Anfang. Aber so wird es zumindest nicht langweilig.« Er schmunzelte, hatte aber eigentlich keine Lust, über seine Arbeit zu reden. Glücklicherweise hakte sie nicht weiter nach. Sie sahen sich in die Augen und lösten ihre Hände nur voneinander, um etwas zu trinken. Gerald überlegte, ob sie ihn später bitten würde, mit in ihre Wohnung zu kommen. Aber sie schien zu müde zu sein.
    »Was ich gestern ja schon erzählt habe«, begann sie unvermittelt. »Die Situation meiner Eltern belastet mich sehr. Ich glaube, dass sie sich trennen werden. Und gleichzeitig bin ich mir absolut sicher, dass es die falsche Entscheidung ist. Beide werden danach noch unglücklicher sein als jetzt. Meine Psychologin hält das für einen Reflex, weil ich tief in mir nicht akzeptieren will, dass meine Eltern nur noch für sich selbst verantwortlich sind, wie ich für mein Leben ja auch. Ich müsse akzeptieren, dass die Nabelschnur definitiv durchtrennt sei. Mag ja sein, aber das eine schließt doch das andere nicht aus, oder? Fatalerweise sind meine Eltern der Überzeugung, dass sie mich mit ihren Schwierigkeiten nicht belasten sollten. Ich weiß nicht, was eigentlich los ist. Nur, dass es gravierende Probleme gibt und sie sich selbst als Paar offenbar keine Chance mehr geben wollen.«
    »Du bist Einzelkind, nicht wahr?«
    Sie nickte. »Ich habe bei ihnen gewohnt, bis ich geheiratet habe. Seit ich in meine Wohnung hier in Schwabing gezogen bin, lebe ich zum ersten Mal allein. Das ist irgendwie reichlich armselig für eine dreißigjährige Frau, findest du nicht?«
    »Du holst jetzt sehr vieles nach«, sagte er und versuchte, diesem Satz einen gewissen neutralen Ton zu geben, konnte aber wohl nicht ganz verbergen, dass er sich Sorgen machte, er könnte auch nur eine weitere kurze Etappe auf ihrem Weg in ein neues Leben sein. Denn als hätte sie seine Gedanken erraten, sagte sie: »Das bedeutet nicht, dass ich übermorgen nach Indien fahre oder in eine vegane Wohngemeinschaft am Fuß der Alpen ziehe. Ich darf den Ernst des Lebens ruhig annehmen, um meine Psychologin zu zitieren, aber ich darf es mit mehr Leichtigkeit tun.«
    Wenige Minuten später wollte sie aufbrechen. Gerald versuchte vergeblich, sie zu einem zweiten Glas zu überreden. Stattdessen begleitete er sie nach Hause. Sie gingen Hand in Hand, aber ihr Händedruck war nicht mehr so fest wie zuvor, und sie hielt einen so großen Abstand zu ihm, dass sie sich mit den Schultern nicht berühren konnten. Gerald war nun sicher, dass an diesem Abend nichts mehr passieren würde.

11
    Pünktlich um neun Uhr betrat Dr. Franz-Georg Mostert das Büro. Er trug einen grauen Westenanzug mit einem weißen Hemd. Eine rot gepunktete Krawatte setzte einen farbigen Akzent. Der sehr gut sitzende Anzug verlieh seiner massigen Gestalt eine gewisse Dynamik und Kontur, die bei der ersten Begegnung in seiner Wohnung gefehlt hatte. Dazu trug ohne Zweifel auch die randlose, rechteckige Brille mit dem schmalen Metallbügel bei.
    Statt einer Begrüßung nickte Mostert den beiden Kriminalbeamten nur kurz zu und setzte sich nach einer entsprechenden Handbewegung Batzkos auf den Stuhl, der vor den Schreibtischen stand.
    »Ich habe mich entschlossen, enger mit Ihnen zu kooperieren«, begann er und zupfte an den Hemdsärmeln, sodass zwei goldene Manschettenknöpfe sichtbar wurden. »Ich bin weiterhin der festen Überzeugung, dass die Ermordung von Arndt Baumann nichts mit der Wohnung in Giesing zu tun hat. Ich bin sicher, dass es sich um ein mehr oder weniger zufälliges Verbrechen handelt, vermutlich einfach der blinde Hass auf einen Obdachlosen. Arndt Baumann war zur falschen Zeit am falschen Ort. Es gibt da deutliche Parallelen zu den willkürlichen Gewaltdelikten in der S-Bahn, bei denen es keine persönliche Verbindung zwischen Opfer und Täter gibt, kein klassisches Motiv …«
    »Wir sind Ihnen sehr dankbar, dass Sie Theorien entwickeln, die uns bei der Aufklärung unterstützen

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