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Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tote von der Isar: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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tief Luft. »Es war mehr oder weniger Zufall, dass ich an jenem Abend im Büro plötzlich seine Visitenkarte in der Hand hielt. Ich rief ihn an, wir verabredeten uns zuerst zum Mittagessen, dann mal abends. Es war nicht so, dass ich gleich am ersten Abend mein Dilemma vor ihm ausgebreitet hätte. Oft müssen Sie die Dinge ja gar nicht aussprechen. Es tut schon gut zu wissen, dass Sie mit diesem Menschen darüber sprechen könnten und es irgendwann auch tun werden.«
    In diesem Moment klingelte Batzkos Handy. Er nahm das Gespräch an, entschuldigte sich kurz und verließ den Raum.
    »Haben Sie Frau Baumann eigentlich auch kennengelernt?«
    Mostert trank einen weiteren Schluck. »Nein. Ich hatte nicht den Eindruck, dass er das gewollt hätte. Unsere Treffen waren für uns beide von Anfang an etwas, das sich jenseits unseres eigentlichen Lebens abspielte. Wir trafen uns immer nur zu zweit, immer an Orten, die nichts mit unserem Alltag zu tun hatten. So wie Kinder sich in einem Baumhaus treffen, um sich vor ihren Eltern zu verstecken, wenn Sie so wollen.«
    »Hat Herr Baumann mit Ihnen über seine Ehe gesprochen?«
    »Nein.« Die Antwort kam überraschend schnell.
    »Zu keinem Zeitpunkt? Das ist ungewöhnlich, da Sie doch einige Abende zusammen verbracht haben, und Sie selbst gerade erst Ihre Scheidung hinter sich hatten. Da muss das doch einmal Thema gewesen sein, oder nicht?«
    »Er hat lediglich erwähnt, dass seine Frau an den Wochenenden oft zu ihren Eltern fährt, weil ihr Vater Parkinson hat. Ich habe nicht nach seiner Ehe gefragt. Ich denke, dass wir uns auch deshalb so gut verstanden haben, weil jeder alles sagen konnte, was er wollte, aber niemals ausgefragt wurde.«
    Batzko kam zurück, setzte sich an seinen Schreibtisch und notierte etwas in seinen Kalender.
    »Sie erwähnten gerade«, sagte Gerald und warf seinem Kollegen einen raschen Blick zu, »den Begriff ›Baumhaus‹, also eine Art Versteck, einen geheimen Rückzugsort für Kinder und Jugendliche. Sie werden, Herr Dr. Mostert, nicht erstaunt sein, wenn ich spontan an die Wohnung in Giesing gedacht habe.«
    Der Ministerialdirigent lockerte den Krawattenknoten und schnaufte leicht. Dann sah er erneut kurz auf seine Uhr. »Sie haben Recht. Tatsächlich kann man es damit in etwa vergleichen. Ein Baumhaus für Erwachsene, ein harmloses Spielzimmer für Männer in der so genannten Midlifecrisis. So wie andere sich eine Harley-Davidson oder ein Segelboot kaufen oder an den Wochenenden Golfbälle über das Gras schlagen.«
    »Und was genau«, hakte Gerald nach, »haben Sie in der Wohnung getan?«
    Der Ministerialdirigent antwortete nicht. Er rutschte auf dem Holzstuhl, der kaum das Gewicht des korpulenten Mannes tragen konnte, hin und her wie ein Schüler, der wegen eines disziplinarischen Verstoßes zum Direktor gerufen wurde und mit der Wahrheit nicht herausrücken will. »Wissen Sie«, sagte Gerald so freundlich und mitfühlend wie möglich, »was mir bei Ihnen zuerst aufgefallen ist, Herr Dr. Mostert? Nicht Ihre Intelligenz oder Ihre Bildung, sondern Ihre Stimme. Ich finde sie ungewöhnlich melodiös. Ich könnte Ihnen stundenlang zuhören. Es ist eine Stimme wie gemacht für die Bühne oder für eine Literatur- CD . Selbst wenn Sie mir ein neunhundertseitiges Buch vorlesen würden, könnte ich mich keine Sekunde langweilen.«
    »Wirklich? Das ist Ihnen aufgefallen?« Der Ministerialdirigent straffte seinen Oberkörper und wirkte mit einem Mal sehr viel selbstbewusster. »Das ist erstaunlich. Das freut mich wirklich. Wissen Sie, als Jugendlicher wollte ich unbedingt Schauspieler werden. Ich war ein sehr guter, fleißiger Schüler. Meine Eltern – mein Vater war Zugbegleiter bei der Bahn – wollten natürlich, dass ich Arzt werde oder Rechtsanwalt. Ich hatte aber nur die Schauspielerei im Kopf. Gründgens, Quadflieg, Minetti. Ich habe nachts unter der Bettdecke den ›Faust‹ auswendig gelernt, den ›Götz‹, ›Maria Stuart‹ – mein Kopf war die reinste Textmaschine. Auf Friedhöfen habe ich meine Monologe gehalten. Niemand durfte davon wissen, niemand.« Er machte eine Pause und trank einen Schluck Wasser. Seine Miene verfinsterte sich wieder. »Friedhöfe – ja, so hat es dann auch geendet. Ich habe mich insgeheim zu mehreren Aufnahmeprüfungen angemeldet, bin sogar nach dem Abitur nach Wien und Salzburg gefahren, als ich in München durchgerasselt bin.« Er blickte zu Boden, als hätte er die Niederlage immer noch nicht überwunden.
    Batzko

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