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Der Toten tiefes Schweigen

Der Toten tiefes Schweigen

Titel: Der Toten tiefes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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ständig wiederholt, »Sie sind unverletzt.«
    Wie Phil praktisch unversehrt hatte herauskriechen können, war ein zweites Wunder, obwohl sie es erst erfahren hatte, als sie im Krankenhaus lag und er mit Lizzie zu ihr gekommen war. Er hatte sich keinen Tag freigenommen, sondern war wie üblich am nächsten Morgen wieder in der Schule gewesen.
    Sie veränderte ihre Lage und versuchte, es sich bequemer zu machen. Das Eichhörnchen war wieder da und knabberte an einer Kastanie zwischen den herabgefallenen Blättern. Tom hatte versprochen, sie wegzufegen, es aber nicht gemacht. Das spielte keine Rolle. Etwas derart Belangloses konnte wohl nie wieder wichtig sein.
    Sie schloss die Augen, döste ein und wurde wach, als sie hörte, wie die Türen geschlossen wurden. Phil schaute herein. »Gut, wenn du schläfst«, sagte er. »Lizzie ist nebenan und hat die Regie übernommen. Wie fühlst du dich?«
    »Steif. Wund. Sehr glücklich.«
    Er kam zu ihr und setzte sich neben sie. »Kannst du denn später ohne weiteres nach oben gehen?«
    »O ja. Ich kann nicht auf dem Sofa schlafen, das ist was für Invalide. Wie war dein Tag?«
    »Ich hatte zu tun. Musste einiges erledigen.«
    »Ich habe doch gesagt, du solltest eine Woche freinehmen.«
    »Ich weiß.«
    »Was musstest du erledigen?«
    »Ich musste in die Stadt. Einkaufen. Habe dir das hier gekauft.«
    Die Tür ging auf, und Lizzie kam mit einem Tablett herein. Daher legte Helen das Päckchen beiseite, während sie einen Tisch mit Tischtuch aufstellten und ihr halfen, sich aufzusetzen. In die aufrechte Position zu gelangen war so schmerzhaft, dass sie die Luft anhalten musste. Vier Kissen in den Rücken. Der linke Arm war in einer Schlinge.
    Das Essen ging langsam, doch der Fisch war die beste Mahlzeit, die sie je gegessen hatte, das Gemüse perfekt gekocht, Brot und Butter wie Manna. Sie fragte sich, ob die Schmerzmittel sie in einen Rausch versetzten, wusste aber, dass es die Erleichterung war, das Hochgefühl, dem Tod ein Schnippchen geschlagen zu haben. Mehrfach hatte sie im Stillen Dankgebete gesprochen. Phil würde lachen. »Es gibt keine Wunder«, hatte er gesagt.
    Vielleicht spielte es keine Rolle.
    Sie hatte geglaubt, Hunger zu haben, und Lizzie hatte ihr nur ein kleines Stück Fisch gegeben, doch sie schaffte es nicht ganz. Irgendein Reflex sorgte dafür, dass ihre Kehle sich schloss, wenn sie zu schlucken versuchte, obwohl sie wusste, dass alles in Ordnung war. Sie trank Tee, aß etwas Brot mit Butter, bedankte sich überschwenglich und lehnte eine Dattelscheibe ab. Sie war schwach vor Erschöpfung.
    Dann überreichte Phil ihr das Päckchen noch einmal. Es hatte die Größe einer Pralinenschachtel. Hoffentlich war es keine. Schokolade war nicht das, was sie brauchte.
    Doch in einer leeren Pralinenschachtel befand sich noch eine Schachtel, und in dieser noch eine und noch eine, dann die kleinste.
    »Willst du meine Frau werden?«, fragte Phil.
    Helen begann zu weinen.
     
    Eine Stunde später weinte sie noch immer, aber oben im Bett. Phil war nach Hause gegangen. Lizzie lag auf der Bettdecke neben ihr.
    »Ich kann nicht aufhören zu grinsen«, sagte sie.
    »Das sehe ich.«
    »Wäre ich nicht gewesen, die dich gedrängt hat, ins Internet zu gehen …«
    »Stimmt. Du wirst rosa Satin tragen müssen, das weißt du.«
    Die Haustür wurde zugeschlagen.
    »Er wohl eher nicht«, sagte Lizzie.
    »Du liebe Güte, bring mich nicht zum Lachen, bitte, es tut so weh.«
    »Mum?«
    »Wir sind hier und sprechen über rosa Satin. Wo warst du?«
    »Hab Flugblätter verteilt.«
    Lizzie stöhnte und zog sich ein Kissen über den Kopf. Sie hielt sich von Toms religiöser Manie fern, doch wenn er in Bars, Cafés und Läden ging, um Jesusflugblätter zu verteilen, hätte sie vor Verlegenheit im Boden versinken können.
    »Halt den Mund. Alles klar, Mum? Bist du sicher, dass sie dich schon entlassen durften?«
    »Bestimmt. Ganz bestimmt. Und mir geht es gut, danke, Schatz, so gut wie nie. Schläfrig und wund, aber so gut wie nie.«
    Tom sah Lizzie fragend an.
    »Ist schon gut, es sind nicht die Schmerzmittel, sie wird einfach nur heiraten. Ist das nicht toll? Er hat einen Ring gekauft, der in lauter Schachteln versteckt war, es war das Romantischste, was ich mir vorstellen kann, ich bin echt neidisch.«
    Tom war auf halbem Weg zum Bett stehengeblieben. Er sah weder seine Mutter noch seine Schwester an. Sein Blick war starr nach vorn gerichtet. Er schien kaum zu atmen.
    »Tolle Neuigkeiten,

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