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Der Toten tiefes Schweigen

Der Toten tiefes Schweigen

Titel: Der Toten tiefes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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geheißen, sie sei strenger als ein Mann, weil sie mehr zu beweisen habe. Das mochte vor zehn Jahren vielleicht der Fall gewesen sein, aber mittlerweile war Paula Devenish eine unter mehreren weiblichen Chief Constables. Sie galt noch immer als die strengste von allen.
    »Ich werde eine dringliche Besprechung mit dem königlichen Personenschutz und wem auch immer ansetzen. Ich gebe Ihnen Bescheid. Noch weitere Neuigkeiten über den Unfall auf dem Jahrmarkt?«
    »Es ist bei neun Todesopfern geblieben – alle, die noch im Krankenhaus liegen, sind außer Lebensgefahr.«
    »Gut«, sagte sie knapp.
     
    Simon holte sich einen Kaffee. Der königliche Besuch war das geringste Übel. Viele ermüdende Besprechungen würden stattfinden, die Hochzeit würde über die Bühne gehen, nichts Ungewöhnliches würde passieren, denn der Schütze, wer er auch sein mochte, hatte Grips. Er würde wissen, dass die Kathedrale randvoll mit bewaffneten Polizisten wäre.
    Geduld, dachte Simon und schloss seine Bürotür. Alles nur eine Frage der Geduld und guter, sorgfältiger Überwachung, ein Wartespiel. Früher oder später würde dem Mann ein einziger Fehler unterlaufen, der ihre Chance wäre. Ein Fehler, ein bisschen Glück, dafür sorgen, dass sie abgesichert waren, alles doppelt überprüfen … lauter ödes Zeug. Sein Polizistenleben hatte größtenteils bewiesen, dass dem so war. Der Rest, die Serienmörder, die größeren Dramen – die waren selten.
    Im Augenblick aber wusste er, dass er den Schutz der Routine brauchte. Die meiste Zeit war der Gedanke an Cat und Chris nicht in seinem Hinterkopf, sondern stand im Vordergrund. Auch das war eine Frage des Abwartens. Die schlimmste Art des Wartens.

[home]
    Dreiundsechzig
    I ch habe Fisch aus dem neuen Laden in den Lanes geholt – offensichtlich bekommen sie jeden Morgen eine Lieferung direkt aus Grimsby, könnte kaum frischer sein. Möchtest du ihn einfach nur gebraten?«
    »Was ist es?«
    »Dover-Scholle.«
    »Oh, Lizzie, was für ein Leckerbissen, vielen Dank.«
    »Es macht Spaß. Du weißt doch, dass ich gern koche – manchmal.«
    »Ich komme mir komplett nutzlos vor.«
    »Gut. Davon kann ich dich nicht abhalten.«
    Helen lachte und zuckte zusammen.
    »Tut es weh?«
    »Wenn ich lache, ja. Und wenn ich niese. Oder huste. Jede Bewegung. Das Atmen. Wenn ich mir das alles verkneife, dann geht es.«
    »Vor halb sechs darfst du keine weiteren Schmerzmittel mehr einnehmen, also wirst du dich ablenken müssen.«
    »Mir war gar nicht klar, dass ich dich zu einer so hartherzigen Person erzogen habe.«
    »Ja, hast du. Tee?«
    »Ich dachte schon, du würdest nie fragen.«
    Helen saß abgestützt auf dem Sofa, die Fenstertüren zum Garten standen offen. Ein schöner Tag, um aus dem Krankenhaus zu kommen, dachte sie, ein schöner Tag, um dankbar zu sein, dass man lebte, obwohl man leicht hätte …
    »Lizzie, wie viele sind bis jetzt gestorben?«
    »Was für eine morbide Frage.«
    »Nein. Ich will es wissen. Ich habe unglaublich großes Glück gehabt – wie groß war es?«
    »Neun Menschen, und vier sind sehr schwer verletzt. Aber außer Lebensgefahr. Ja, du hattest Glück. Kann man wohl sagen.«
    Ein Eichhörnchen sprang in die Esche im hinteren Teil des Gartens, kletterte den Stamm hinunter und hüpfte über den Rasen.
    Wie schön, dachte Helen. Das ist das schönste Eichhörnchen, das ich je gesehen habe, und der Baum ist der schönste, und die Sonne scheint schöner denn je. Ich habe nichts getan, um das Leben zu verdienen, so wie die anderen den Tod nicht verdient haben. Aber ich werde darin schwelgen, in jedem wachen Augenblick, und ich werde dankbar sein. Die Rippen schmerzten. Die Schultern taten weh. Der Hals bereitete ihr quälende Schmerzen, wenn sie versuchte, den Kopf auch nur um einen Millimeter zu drehen, und das alles machte ihr nichts aus, es war zu ertragen. Die Schmerzen kündigten Besserung an, und wie anders musste das sein als jeder andere Schmerz – der Schmerz der Verschlechterung.
    Vom Unfall wusste sie nur noch sehr wenig. Es war wie ein Film, der hin und wieder flimmernd vor ihrem geistigen Auge ablief, ein Film, aus dem Teile herausgeschnitten waren und in andere übergingen, weshalb die Zeit verworren war und die Szenen keinen Sinn ergaben. Sie erinnerte sich an Schreie. An den Ruck, als sie kippten oder fielen. Sie erinnerte sich an den starken Griff des Mannes um ihr Handgelenk, als er sie fand, dann an sein Gesicht. »Okay, Schätzchen«, hatte er

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