Der Toten tiefes Schweigen
vielleicht ein paar neue Freunde.«
»War es der Erste, bei dem du dich gemeldet hast?«
»Ja. Da hat alles gepasst. Aber ich habe das Gefühl, es hätte viel länger dauern sollen, und ich hätte zuerst noch mindestens sechs andere treffen müssen.«
»Das ist, als wolltest du, dass sechs Menschen sich dein Haus ansehen und kein Angebot machen, bevor ein Käufer auftaucht.«
»So habe ich es noch nie betrachtet.«
»Das solltest du aber. Ich freue mich, Helen. Freund oder mehr als das – es ist gut.«
»Meinst du nicht, es ist ein bisschen … na ja – es so zu machen. Ich habe es sonst noch niemandem erzählt.«
»Warum auch? Es geht niemanden etwas an.«
»Ja, nicht wahr?«
»Willst du mir von ihm erzählen?«
»Wir haben uns erst ein Mal getroffen. Und er hat angerufen, bevor ich heute Abend hierherkam, um sich wieder mit mir zu verabreden. Morgen gehen wir ins Theater. Es geht mir nur alles zu schnell.«
»Willst du das nicht?«
»Ich weiß nicht.«
»Was beunruhigt dich?«
»Nichts. Wahrscheinlich habe ich nicht einmal daran gedacht, dass ich jemanden aus dem Ort kennenlernen würde – er wohnt sogar in Lafferton. Keine Ahnung.«
Der Chorleiter drängte sich durch die überfüllte Bar, um Cat zu begrüßen. Sie sagte: »Gut, wenn du wieder darüber reden willst, ruf mich an, oder wir treffen uns. Für mich klingt es so, als brauchtest du nur jemanden, der dir sagt, dass du das Richtige tust.«
Auf der Heimfahrt legte Helen eine Kassette der Dixie Chicks ein, die Elizabeth ihr zum letzten Geburtstag geschenkt hatte – »um dich auf dem Laufenden zu halten, Mutter« –, und dachte an Phils Anruf. »Mir hat es wirklich gefallen. Können wir uns bald noch einmal treffen? Darf ich Sie morgen ins Theater ausführen?«
Ja, hatte sie gedacht, aber nichts gesagt. Gezögert. Eine Verabredung mit einer alten Freundin vorgeschoben. Sie müsse es überprüfen. Würde ihn zurückrufen. Hatte den Hörer aufgelegt und sofort entschieden, dass sie zu kühl gewesen war, ihn hatte abblitzen lassen, vor den Kopf gestoßen. Sie wollte mit ihm ausgehen, wusste aber nicht, ob sie es sollte.
Als Elizabeth sie gefragt hatte, ob es ihr gut gehe, hatte sie ihre Tochter angefahren; als Tom sich über ihr Ausgehen lustig gemacht hatte, war sie ausgerastet.
Sie bog in die Dulles Avenue ein und nahm eine Abkürzung. Ein Haus auf halber Strecke war in Flutlicht getaucht. Streifenwagen und weiße Kastenwagen parkten davor, die ganze Häuserfront war mit einem Band abgesperrt. Helen fuhr instinktiv langsamer, um zu sehen, was dort vor sich ging. Eine Polizistin am Tor beäugte sie.
Sie gab Gas, während die Dixie Chicks von einem reisenden Soldaten sangen.
[home]
Sieben
E r konnte sich an den Tag erinnern. Er wusste noch alles. Doch das Feuer, das in ihm aufgelodert war, hatte sich ihm am deutlichsten eingeprägt.
»Wann kann ich auf eine richtige Jagd gehen?«
»Wenn du zwölf bist.«
Und dann war er zwölf. Er war zwölf.
Es war kalt. Sein Kopf schmerzte vor Kälte. Das Gesicht fühlte sich an, als hätte er in der Kälte eine Hautschicht verloren. Die Ohren brannten. Er war sich nur bewusst, dass er fror und selig war.
Seit kurz nach neun waren sie unterwegs, die Spaniels rannten voraus, und sie hatten noch etwa eine Stunde vor sich, bevor sie anhalten würden, um zu Mittag zu essen. Sie blieben stehen. Ein kurzes Schweigen trat ein. Ein Schuss fiel. Noch einer. Die Krähen stiegen in Panik aus den Baumkronen über ihnen auf.
Vergiss das nicht, hatte sein Vater gesagt. Das ist die gefährlichste Form des Schießens, die du kennenlernen wirst, bis du bei einer Treibjagd auf Waldhühner schießt. Du gehst und schießt gleichzeitig. Wenn du nicht weißt, was
hinter
dem ist, worauf du schießt, lass es sein. Bleib in der Reihe. Beobachte und warte.
Er hatte zugehört wie bei einer Predigt in der Kirche.
Die gefährlichste Form des Schießens.
Er wiederholte die Worte im Stillen, während er weiterging.
Er sah nach vorn, doch dann lenkte ihn etwas zu seiner Linken ab, ein heller Umriss in einem groben Grasbüschel. Er blieb stehen.
»Schon gut, komm zur Ruhe, während du gehst. Sieh genau hin«, flüsterte sein Vater. »Ist etwas dahinter?«
»Hecke.«
»Geh weiter. Beobachte weiter.«
Er tat, wie ihm geheißen. Dann war der Spaniel da, scheuchte das Kaninchen auf, es rannte weg, und er war bereit, zielte und schoss in Sekundenschnelle, sein Herz schlug bestimmt ebenso heftig wie das
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