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Der Toten tiefes Schweigen

Der Toten tiefes Schweigen

Titel: Der Toten tiefes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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Interessant.«
    »Interessant?«
    Er antwortete nicht.
    »Um Himmels willen, es gibt Dutzende von Möglichkeiten, oder nicht? Der Tumor könnte gutartig sein, dann wäre er operabel, und Chris würde wieder gesund werden. Der Tumor könnte auch auf Bestrahlung reagieren. Vielleicht ist es nicht einmal einer. Ein MRT ist schwer zu interpretieren, das hast du selbst gesagt.«
    »So schwer nun auch wieder nicht.«
    »Mein Gott, du kannst Trost spenden. Ich quäle mich hier ab, Dad. Ich brauche deine Hilfe.«
    »Natürlich werde ich dir helfen. Was um alles in der Welt erwartest du?«
    »Du klingst so klinisch.«
    »Ich bin Kliniker. Du auch. Nur weil ich wie ein Mediziner rede, heißt das nicht, dass ich gefühllos bin. Um Chris tut es mir entsetzlich leid. Das ist ein Weg, den zu gehen ich keinem Menschen wünsche.«
    »Wie kann jemand seine Frau bitten, ihn umzubringen?«
    »Aber doch nur in dem speziellen Fall.«
    »Nein, überhaupt.«
    »Ganz einfach. Ich würde es genauso machen.«
    »Bitte mich niemals darum.«
    »Martha«, sagte Richard nun, als sie vor einer roten Ampel anhielten, »hätte darum gebeten, wenn sie gekonnt hätte. Das ist mir jetzt klar.«
    »Martha?«
    »Unter den gegebenen Umständen musste deine Mutter die Bürde auf sich nehmen. Damals war ich entsetzt. Vor Kummer war ich der Wahrheit gegenüber blind, und die war, dass es richtig war, so zu handeln. Ich war unfähig, rational zu denken – Vernunft walten zu lassen. Deine Mutter musste es für mich tun.«
    Die Ampel sprang um, und ein Motorradfahrer röhrte quer über ihren Weg, als Richard Gas gab. Er bremste und wich aus, und das Motorrad verschwand in einem Nebel aus Auspuffgasen in der Dunkelheit. Sie bogen rechts ab. Sie waren auf der Landstraße. Etwa drei Meilen von Cats Haus entfernt.
    »Was sagt die Statistik über die Todesrate junger Männer auf Motorrädern?«
    »Hör auf, bitte. Du musst mir erklären, was du meinst.«
    »Das war doch vollkommen klar.«
    »Nein, das war es nicht.«
    »Schrei mich nicht an, Catherine.«
    »Ich habe nicht verstanden, was du gerade gesagt hast. Über Mum und Martha. Du musst es mir erklären.«
    Sie sah ihn an, während er fuhr. Sein schmales Gesicht zeigte einen neutralen, ruhigen Ausdruck, er beobachtete die Straße. Ich kenne diesen Mann nicht, dachte Cat, aber ich verstehe Simons Empfindungen ihm gegenüber.
    »Wahrscheinlich hätte ich es dir nie gesagt. Doch jetzt weißt du es. Deine Mutter hat Martha Kalium injiziert. Sie konnte es nicht ertragen, dass Martha noch weiter dahinvegetierte. Sie hat es mir gesagt, und ich habe mich einverstanden erklärt, es niemandem zu erzählen. Bis jetzt habe ich mich an dieses Versprechen gehalten. Aber da das Thema wieder aufgekommen ist, schien es mir angemessen, es dir zu sagen. Vermutlich wirst du mir zustimmen, dass wir es für uns behalten sollten?«

[home]
    Vierundzwanzig
    E s war spät. Judith saß in der anheimelnden Küche der Deerborns und dachte an den Tag, an dem ihr Mann gestorben war.
    Sie hatte sich Notizen für eine Fallbesprechung über ein Kind gemacht, das sie wohl in Pflege geben mussten. Auch damals war eine Katze da gewesen, groß und grau mit vernarbten Ohren. David hatte sie Gasper getauft. Fünfzehn Jahre zuvor. Ein Häufchen erbärmlicher Flaum, das ihre Haushälterin in einer Pfütze gefunden und ihnen in einem Matchbeutel mitgebracht hatte. David war inzwischen im Kongo und rettete Leben, Vivien in Edinburgh und studierte Tiermedizin, und Gasper lag ausgestreckt in einem Flecken Abendsonne auf dem Küchentisch neben ihr und streckte gelegentlich eine Pfote aus, um halbherzig an ihrer Akte zu kratzen. Don war angeln gegangen und im Morgengrauen aufgebrochen. Er weckte sie nie. Sie war kurz nach sieben heruntergekommen, aber er hatte sich längst auf den Weg zu seinem Lieblingsplatz am Test gemacht.
    Jetzt lag Mephisto, der Kater der Deerborns, auf dem Lehnstuhl ihr gegenüber, eine feste, saubere Kugel, die Pfoten unter sich.
    Sie wusste noch, dass sie eine Kanne Tee gekocht und auf die Uhr geschaut hatte, um sich auszurechnen, wann sie den Auflauf in den Ofen schieben musste. Dabei hatte sie besorgt an ihren Fall gedacht, wie immer. Ein Kind den Eltern wegzunehmen war nie leicht, stets war sie verunsichert, weshalb sie die Notizen über den Fall noch einmal durchgelesen hatte.
    Sie konnte sich noch an den Namen des Kindes erinnern. Campbell Wild.
    Don hätte gegen acht zu Hause sein sollen. Kurz nach sieben hatte sie den Wagen

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