Der Toten tiefes Schweigen
klirrten.
Simon sah sie über den Tisch hinweg an. Sie waren beide erschöpft, brauchten genau das hier. Er ersparte sich eine Antwort.
»Chris sollte hier sein.«
»Ja.«
»Ob er jemals wieder so wie wir jetzt abends ausgehen wird?«
Simon schüttelte den Kopf.
»Kann sein. Wenn er die Operation übersteht. Die Bestrahlung wird den Rest des Tumors eine Zeitlang verringern, dann werden seine Beschwerden nachlassen, vielleicht deutlich, und wir können hierherkommen.«
»Das solltet ihr. Macht alles, was möglich ist.«
»Ja.«
»Du hast gesagt, wir würden nicht darüber reden.«
Cats Augen füllten sich mit Tränen.
»Na komm schon.«
Die Gerichte standen mit Kreide auf Tafeln zu beiden Seiten des langgestreckten Raums, Spezialitäten auf einer weiteren Tafel hinter der Bar. Das
Croxley Oak
gehörte zu Simons Lieblingsrestaurants, und er war monatelang nicht mehr hier gewesen.
»Wir wollen das Beste draus machen. Oh, gut, es gibt Muscheln.«
Eingelegte Muscheln und frische Sardinen, Baguette und eine Schale Oliven standen auf dem Tisch, als Cats Handy klingelte.
»Wenn es von zu Hause kommt, geh ran, sonst beachte es nicht.«
»Ich kenne die Nummer nicht. Gut, wird nicht beachtet.«
»Wann wird Karin McCafferty beigesetzt?«
»Keine Ahnung. Weißt du, ich glaube, dass sie bis auf ihren verdammten Ex keine Familie hatte. Sie hat nie etwas erwähnt. Ich frage mich, wer sich darum kümmern wird. Ich habe Beerdigungen von alten Menschen erlebt, an denen nur ich und die Gemeindeschwester teilgenommen haben, aber das lag einfach daran, dass sie alle anderen überlebt hatten. Karin war erst Mitte vierzig. Ich werde mit Imogen House sprechen und nachfragen, ob sie etwas wissen.«
»Du bist bei ihr gewesen, als sie noch lebte. Das ist wichtig. Du musst keine Gewissensbisse haben.«
»Nein. Jane hat sie.«
»Welche Jane?« Er sah sie verwirrt an.
»Jane Fitzroy. Mein Gott, es ist so lange her, dass wir miteinander geredet haben.«
»Erzähl mir davon.«
»Hast du Bereitschaftsdienst?«
»Im Augenblick habe ich den immer. Was ist mit Jane Fitzroy?«
»Oh, du erinnerst dich also an sie.«
Simon pickte vorsichtig eine Muschel mit der Zinke seiner Gabel aus der Schale und steckte sie in den Mund. Er blickte nicht auf.
»Als sie hier eintraf, war sie eine Stunde zu spät. Nicht ihre Schuld, aber es hat ihr zu schaffen gemacht.«
»Hat sie dich angerufen?«
»Sie ist über Nacht geblieben.«
Er schenkte ihr noch ein Glas Wein ein.
»Willst du nicht mehr wissen?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Sie hat nach dir gefragt.«
»Cat. Lass es.«
»Warum?«
Er schüttelte den Kopf, wischte mit einem Stück Brot über den Teller, um die Soße aufzutunken.
»Du hast sie gemocht.«
»Ja. Du auch.«
»Das ist etwas anderes.«
»Lass es einfach.«
Cat kannte seinen Gesichtsausdruck und seinen Tonfall. Er meinte es ernst. Das Fallgitter war herabgelassen. Mehr würde sie nicht aus ihm herausbekommen.
»Du stehst dir selbst im Weg, weißt du das?«
Doch der Kellner kam, um ihre Teller abzuräumen, und Cat hütete sich, das Thema weiterzuverfolgen. Vorläufig, dachte sie. Vorläufig.
»Gehst du mit den Kindern auf den Töpfermarkt?«
»Ich denke, schon. Chris wird dann wieder zu Hause sein, aber Dad hat gesagt, er werde bei ihm bleiben. Felix ist noch ein bisschen zu klein. Auch er kann daheimbleiben.«
»Trefft ihr euch mit jemandem?«
»Ich bin mir sicher, dass wir einen Haufen Leute treffen werden, aber Judith hat gesagt, sie kommt mit. Und bitte schau nicht so.«
»Was meinst du?«
»Komm drüber hinweg, Si. Sie ist wunderbar, und sie tut Dad gut. Bleib nicht außen vor.«
Der Kellner brachte geschmorte Lammkeule und gebratene Brasse.
»Simon«, sagte sie, nachdem auch das Gemüse auf dem Tisch stand, »vielen Dank hierfür. Das habe ich gebraucht. Es war mir nicht klar.«
»Verlass dich auf deinen Bruder.«
»Mmm.«
»Wie?«
»Oh, das tu ich. In manchen Dingen.«
Sie griff nach Messer und Gabel, doch dabei kamen die Erinnerungen an das Entsetzen und die schrecklichen Ereignisse, sie sah Chris vor sich, wie er an dem Nachmittag im Bett gelegen und einen Löffel voll Rührei gegessen hatte, sehr langsam, den Kopf in einem dicken Verband, die Augen müde und leer. Es hatte so ausgesehen, als habe er sich bereits von ihr zurückgezogen und lebe ein Schattenleben an einem Ort, an den sie ihm nicht folgen konnte, ein Ort, den er ganz allein bewohnen musste. Sie schluckte und starrte das
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