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Der Toten tiefes Schweigen

Der Toten tiefes Schweigen

Titel: Der Toten tiefes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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hatte: »Ich kann ihn nicht leiden. Er ist ganz und gar falsch. Ich mag ihn einfach nicht, und er muss verschwinden, das muss sie einsehen.«
    Seine Schwester war wütend geworden. In Lizzies Augen sah ihre Mutter wunderbar aus, strahlte vor Glück, genoss das Leben, hatte ihren Spaß, erzählte viel. Das alles nur wegen Philip Russell. Im Übrigen mochte Lizzie ihn. Er war genau richtig, und sie konnte das Glück kaum fassen. Die Chancen für Helen Creedy, eine Reihe katastrophaler Männer kennenzulernen, falscher Männer, verschrobener Männer, war groß gewesen, stattdessen hatte sie Phil kennengelernt, zack, der erste Versuch.
    »Was willst du damit sagen? Leg das hin, ja?«
    »Jesse Cole hat es mir gesagt. Phil Russell unterrichtet seinen Bruder, also hab ich ihn gefragt.«
    »Was gefragt? Was könnte Jesse Coles Bruder wissen?«
    »Ich hab doch gesagt, er ist sein Lehrer, seit zwei Jahren.«
    »Und?«
    »Er hat gesagt, er sei Atheist. Er predigt es. Er predigt, es gebe keinen Gott, obwohl er eigentlich Geschichtslehrer ist, er macht sich die ganze Zeit darüber lustig, lässt sarkastische Bemerkungen fallen, er spottet und spricht mit ihnen über dieses Buch von Darwin.«
    Lizzie seufzte und widmete sich wieder ihrer Lektüre,
Heinrich
IV.,
Teil  1 .
Sobald Tom über Religion redete, mochte sie nicht mehr zuhören.
    »Garantiert redet er auch mit ihr so.«
    »Mum hat eine eigene Meinung.«
    »Ich will nicht, dass sie überhaupt etwas mit ihm zu tun hat.«
    »Vielleicht sollte ich ihn dazu bringen, mit dir so zu reden. Höchste Zeit, dass jemand mal vernünftig mit dir diskutiert und deine Sekte als das entlarvt, was sie ist.«
    »Es ist keine Sekte.«
    »Okay, ein Kult.«
    »Es ist kein Kult.«
    »Verschwinde, Tom, ich muss hier fertig werden. Geh und bete mit deinen Freunden.«
    »Wenn du mitkämst, würdest du sehen, dass es nicht so ist, wie du denkst. Du glaubst, es ist die Moon-Sekte oder Scientology oder so etwas. Was weiß ich. Mormonen, Plymouth-Brüder.«
    »Egal.«
    »Es ist wichtig, es geht darum, auf der richtigen Seite zu stehen, darum, Jesus in dein Leben einzulassen und alles zu verändern, es ist …«
    Lizzie hielt sich die Ohren zu.
    Tom setzte sich wieder auf das Bett. Er wirkte unglücklich. Sie sah ihn vor sich, wie er früher gewesen war, launisch, aber frei, wie er lachte, andere aufzog und herumlungerte. Ein guter Kumpel. Das war vorbei. Jetzt zitierte er entweder die Bibel oder sah unglücklich aus.
    »Lass sie in Ruhe, lass sie ihren Spaß haben. Du musst darüber hinwegkommen, Tom. Sobald ich zur Uni gehe, kannst du Mum nicht die ganze Zeit drangsalieren, das führt zu nichts und wird sie trübselig machen. Und wenn du sie auseinanderbringst, bringe ich dich um.«
    »Ich wünschte, du würdest es so sehen wie ich.«
    »Das kann ich nicht und werde es nie können. Ich kenne dich nicht mehr, ich habe keinen blassen Schimmer von dem, was in deinem Kopf vorgeht.«
    »Doch, ich sage es dir immer wieder, ich versuche, dich sehend zu machen. Es ist echt total wichtig, das einzig Wichtige überhaupt.«
    Lizzie stand auf und hielt die Tür auf. Tom schaute sie an. Wieder sah sie sein Gesicht vor sich, als er sechs oder sieben Jahre alt war. Nicht dieses Gesicht. Sein früheres Gesicht.
    »Ich muss das hier fertig machen.«
    »Lizzie …«
    »Bitte.«
    Sie hielt seinem Blick stand. Dann hörten sie, wie der Schlüssel in der Haustür herumgedreht wurde.
    »Hallo!«
    »Okay, sie ist zurück von ihrem Lesekreis, geh und mach ihr eine Tasse Tee, und wage nicht, etwas zu sagen, Tom Creedy, wag es bloß nicht.«
    Nachdem er noch eine Weile sitzen geblieben war und unglücklich zu Boden gestarrt hatte, entwirrte Tom seine langen Gliedmaßen und stand auf.
    In seinem Zimmer setzte er sich auf die Fensterbank und sah hinaus, wie damals, als er noch klein gewesen war und nachdenken musste. Die Straße unten war ruhig. Die Menschen gingen früh zu Bett.
    Er fragte sich, ob er mit Pastor Evans reden sollte. Phil war ein Problem, und Tom wusste, er musste es lösen, bevor seine Mutter eine Dummheit beging, den Kerl heiratete, zum Beispiel. Dabei hatte er nichts dagegen, wenn sie wieder heiratete. Darüber war er sich schon früh klargeworden. Lizzie hackte darauf herum, wie einsam ihre Mutter seit Dads Tod war, dass es gut für sie wäre, dass sie jemanden brauche, und sie hatte recht, damit hatte er eigentlich nie ein Problem gehabt. Jetzt auch nicht. Sie sollte nicht allein sein, wenn er und Lizzie

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