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Der Toten tiefes Schweigen

Der Toten tiefes Schweigen

Titel: Der Toten tiefes Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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immer lauter wurden, sich mit den Lichtern und dem Rauch vermischten und aufstiegen, bis hinauf zum Turm der Kathedrale und weiter in die Dunkelheit.
    »Sam!«, schrie Cat. »O Gott, nein, nein. SAAAAM !«
    Sie versuchte sich nach vorn zu drängen, doch eine Menschenwand schob sie zurück, und sie fiel beinahe über Hannah. Sie waren gezwungen, der Menge zu folgen, um den herabfallenden Trümmern auszuweichen.
    »Mein Sohn ist da drinnen, ich muss meinen Sohn holen. O Gott, bitte, gib ihn mir wieder. Sam …« Jemand packte sie am Arm und zog sie zur Seite, dann wurde sie an das Karussell gedrückt, und ein Mädchen in einer hellrosa Steppjacke wurde so fest gegen sie gepresst, dass sie den glänzenden, öligen Stoff riechen konnte. Der Lärm des Jahrmarkts verebbte. Die Musik hörte auf, während ein Lautsprecher nach dem anderen abgeschaltet wurde, dann verstummten die Generatoren, und kurz darauf kamen die einzigen Geräusche von der noch immer knackenden, zerstörten Geisterbahn und von menschlichen Stimmen, die riefen, telefonierten, Befehle von hinten brüllten. Und Schreie. Schreie.
    Simon zwängte sich durch die Menge und rief »Polizei«, kam gleichzeitig mit einem Dutzend anderer Beamter und Sanitätern zu dem eingestürzten Fahrgeschäft. Sirenen heulten in der Ferne.
    Der Geruch nach Verbranntem, Staub und Öl war ätzend, das ganze Gestell war in sich zusammengefallen, daher war es unmöglich festzustellen, was herabgefallen und was darunter gewesen war. Arbeiter des Jahrmarkts zogen bereits an großen Balken und verkrümmten Trägern und schleppten sie fort, während Polizisten die Kontrolle über die Menge übernahmen und in dem Trümmerhaufen nach Eingeschlossenen zu suchen begannen.
    Simons Handy klingelte, als er auf einen Teil der Gleisspur kletterte.
    »Simon, Herrgott, wo bist du? Sam war in der Geisterbahn, Sam …«
    »Schon gut, ich bin jetzt hier oben. Wo bist du?«
    »Ich weiß nicht, auf der anderen Seite, an einem Stand, wir sind alle zusammengepfercht …«
    »Rühr dich nicht von der Stelle. Bleib, wo du bist. Wir kümmern uns, und alles geht seinen Gang. Bleib dort, wo du bist, Cat.«
    Er stieg über Tauwerk und Zelttuch, zwei Männer der Sondereinheit hinter ihm. Von überall kamen Rufe und Schreie, von unten, von drinnen.
    »Passen Sie auf, Chef, das ist nicht stabil hier, passen Sie auf, wohin Sie treten.«
    »Warten Sie besser auf die Feuerwehr. Hört mal, hier ist jemand, Paul, schieb das Plastiktuch hier aus dem Weg und stütz mich ab.« Clive Rowley balancierte auf einem zerbrochenen, schiefen Gleisstück.
    »Halt die Klappe. Sperr die Ohren auf.«
    Sie lauschten in dem kleinen Einschluss aus Stille, den sie in dem Getöse ringsum geschaffen hatten.
    »Links, links von dir und dann darunter, Clive.«
    »Halt das hier fest.«
    »Pass auf. Du brauchst eine Axt.«
    »Hab keine Scheißaxt. Bleib da. Halt das fest, ja?«
    Er ging in die Hocke und begann die Plastikhaut aufzureißen. Sie ließ sich leicht entfernen, und darunter trat eine Höhle aus schwarzem, verbogenem Metall zutage mit einem abgebrochenen, aufragenden Rad. Noch weiter unten weinte jemand leise vor Schmerz und Angst. Clive stellte den Fuß weiter vor. Paul C. hinter ihm hielt den Träger fest.
    Clive streckte die Hand, dann den ganzen Arm hinab in den dunklen Raum und tastete.
    »Hallo. Wo sind Sie? Ich bin Clive, ich bin Polizeibeamter. Können Sie mich hören?«
    Das Stöhnen ging ohne Pause weiter, doch es war nah, fast an seinen Füßen.
    Er ging auf die Knie, prüfte sorgsam die Oberfläche, rutschte dann langsam vor und beugte sich mit dem Kopf über das Loch.
    »Können Sie mich hören?«
    »Hilfe, helfen Sie mir.«
    »Ich habe Sie. Okay, wir werden Sie gleich hier rausholen. Ich strecke meinen Arm hinunter. Können Sie die Hand heben?«
    Stöhnen.
    »Versuchen Sie, die Hand zu heben und nach meiner zu tasten.« Er drehte den Kopf zur Seite. »Holt ihr mir eine Taschenlampe, ja? Ich muss hier etwas sehen können.«
    Die Sirenen waren inzwischen auf dem Platz, ein Fahrzeug nach dem anderen bog ein und hielt an, die Blaulichter blitzten. Feuerwehrleute, Leitern, Lampen, Schläuche.
    »Holt mir eine Taschenlampe.«
    Von hinten bekam er eine Lampe in die Hand gedrückt.
    »Vorsicht, pass auf die Holzplattform links von dir auf, Clive, duck dich. Sie bewegt sich.«
    Holz knarrte und splitterte, doch Clive verhielt sich ruhig, und der Träger bewegte sich nicht. Er wartete. Wieder tastete er in der Dunkelheit

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