Der Totenerwecker (German Edition)
Fasern und was sich sonst noch finden ließ. Sie wollte, dass er eingesperrt und verhört wurde, bis er alles, was er ihr angetan hatte, zugab.
»Was ist mit Fingerabdrücken? Können Sie nicht das Haus nach Fingerabdrücken absuchen?«
»Dann bräuchten wir auch seine Abdrücke, um sie zu vergleichen, und dazu bräuchten wir eine richterliche Verfügung. Solange Sie nicht mit absoluter Sicherheit wissen, dass er Sie überfallen hat, bekomme ich diese Verfügung nicht. Wenn Sie mir sagen, dass es kein Traum war und Sie sich daran erinnern, dass er hier eingebrochen ist und Sie vergewaltigt hat, habe ich binnen Minuten die notwendigen Dokumente, und wir nehmen Fingerabdrücke und Spermaproben von ihm, lassen Sie im Krankenhaus untersuchen und klappern das ganze Haus nach Fingerabdrücken und Blut und anderen Körperflüssigkeiten ab. Ich kann keine richterliche Anordnung allein aufgrund eines Traums und frisch gewaschener Bettbezüge anfordern oder die Spurensicherung rufen.«
»Können Sie mich nicht trotzdem untersuchen lassen? Nur um sicherzugehen, dass es lediglich ein Traum war? Ich habe mich noch nicht geduscht. Wenn also etwas passiert ist, dann gibt es eventuell noch ...« Sie stockte. Die Worte wollten nicht heraus. Erneut durchlief ein Schauder ihren Körper, und sie verzog das Gesicht, als schmeckte sie etwas Faules im Mund, als könnte sie immer noch ihn schmecken. »... Spuren.« Peinlich berührt wandte sie sich ab, doch gleich darauf wandte sie ihren Blick wieder dem Polizisten zu, um sich nicht anmerken zu lassen, wie unangenehm es ihr war, und um nicht den Eindruck zu erwecken, sie sei schwach. Sie wusste nicht, warum sie diesen Punkt als so wichtig empfand, aber auf keinen Fall wollte sie vor jemand anderem außer Josh Schwäche zeigen – und auch vor ihm nur ungern.
Der Polizist holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus. Er klopfte mit dem Stift gegen seinen Notizblock, auf den er noch kein einziges Wort geschrieben hatte. Nichts von ihrer Aussage hatte er sich notiert.
Ganz offensichtlich beabsichtigte er nicht, auch nur das Geringste wegen des Einbrechers zu unternehmen. Er wollte sie lediglich bei Laune halten. Sie stand kurz davor, ihm zu sagen, dass es keine Träume waren und sie mit absoluter Sicherheit wusste, dass man sie vergewaltigt hatte, aber sie tat es nicht. Denn sie konnte nicht abgrenzen, wie viel von dem, woran sie sich erinnerte, ein Traum war und wie viel real. Sie erinnerte sich nicht, was letzte Nacht geschehen war. Nicht daran, überfallen worden zu sein; nicht daran, geschossen zu haben. Sie erinnerte sich an gar nichts.
Wenn sich alles nur in ihrem Kopf abspielte und sie im Begriff war, den Verstand zu verlieren, würde sie dem neuen Nachbarn wegen nichts und wieder nichts die Hölle auf den Hals hetzen und ihm jede Menge Probleme bereiten. Die Öffentlichkeit bekam meistens nur mit, dass jemand wegen eines Verbrechens angeklagt wurde, aber nicht, wenn er anschließend entlastet wurde. Eine Anklage wegen Vergewaltigung konnte dazu führen, dass er seinen Job verlor oder aus der Siedlung vertrieben wurde.
Vielleicht rächte er sich auch, indem er sie verklagte oder ihnen jedes Mal die Eigentümerversammlung auf den Hals hetzte, wenn sie ihre Mülltonne zu spät an die Straße stellten, in der Einfahrt statt in der Garage parkten oder die Hecke nicht schnitten. Oder er schwärzte sie bei den Wasserwerken an, wenn sie in Dürreperioden vergaßen, die Zeitschaltuhr des Rasensprengers umzustellen, oder alarmierte die Polizei, wenn sie die Musik etwas zu laut aufdrehten, oder was auch immer für kleinkarierte Dinge sich Nachbarn antaten, um sich das Leben gegenseitig zur Hölle zu machen. Möglicherweise gipfelte es sogar darin, dass Josh und er sich prügelten oder Schlimmeres. Sie erinnerte sich daran, wie Josh mit der Pistole in der Hand aus dem Haus stürmen wollte. Was, wenn Dale ebenfalls eine Waffe besaß? Dann konnte es richtig übel enden. Sie wollte ganz bestimmt keinen Krieg mit ihrem neuen Nachbarn anzetteln.
»Und wenn man ihr Drogen gegeben hat und sie sich deshalb nicht erinnern kann?«, fragte Josh. »Man könnte eine Urinanalyse machen, wenn sie im Krankenhaus ist.«
»Was immer noch nicht beweist, dass es der Nachbar getan hat und sie die Drogen nicht selbst genommen hat.«
»Aber wenn festgestellt wird, dass sie vergewaltigt wurde, und man Rückstände irgendwelcher K.o.-Tropfen in ihrem Blut findet, müsste das doch für eine richterliche
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