Der Totenerwecker (German Edition)
ein tödlicher Autounfall war, und er besaß diese überhebliche Aura eines Polizisten, als verdanke jeder, der keine Dienstmarke trug, ihm persönlich seine Existenz. Das vorzeitig ausdünnende Gestrüpp seiner blonden Haare, die Aknenarben an Wangen und Stirn und die Knolle seines Adamsapfels waren klare Hinweise darauf, dass er in seiner Schulzeit einen mehr als großzügigen Anteil an Beleidigungen und Klassenkeile abbekommen hatte.
»Wir sind uns nicht sicher. Deshalb haben wir Sie gerufen. Aber jemand ist in unserem Haus gewesen.«
»Jemand ist eingebrochen, hat den Boden geschrubbt und die Wäsche gewaschen, aber nichts mitgenommen?«
»Jemand hat meine Frau vergewaltigt und anschließend sauber gemacht, um die Spuren zu verwischen. Ich meine ... so könnte es gewesen sein. Sie hat ständig diese Albträume, und dann sind da die ganzen Sachen, die nicht an ihrem gewohnten Platz stehen.«
»Und warum glauben Sie, dass es Ihr Nachbar war?«
»Meine Frau hat ihn gesehen. Also ... sie glaubt es jedenfalls. Sie hat diese Träume, und er kommt darin vor. Er ist da und vergewaltigt sie und bringt sie um.«
Der Polizist, der wie ein junger blonder Anthony Perkins aussah, starrte Josh an. Ganz offensichtlich musste er sich das Lachen verkneifen. Sarah fühlte sich furchtbar, weil Josh das wegen ihr durchmachen musste.
»Hören Sie, ich weiß, dass das alles völlig verrückt klingt. Können Sie sich nicht einfach im Haus umsehen und feststellen, ob es irgendwelche Anzeichen für einen Einbruch gibt?«
Der Polizist seufzte tief.
»Okay, ich werde Türen und Fenster überprüfen.«
Sarah und Josh sahen sich an. Sarah kam sich töricht vor. Sie konnte ihre Verlegenheit kaum verbergen, errötete und wurde ganz zappelig. Hätten sie nur nicht die Polizei gerufen. Aber sie musste Bescheid wissen. Sie musste wissen, ob jemand ins Haus eingebrochen war.
Der Polizist überprüfte die Fenster in Wohnzimmer, Küche und Arbeitsraum. Er überprüfte die Haustür und die Schiebetür im hinteren Teil des Gebäudes.
»Sir? Ma’am?«
»Ja?« Josh kam zur gläsernen Schiebetür, neben der der Polizist stand. Sarah folgte ihm.
»Wie verschließt man diese Tür?«
»Indem man den Riegel unten an der Tür umlegt.«
»Hoch oder runter?«
»Man schiebt ihn mit dem Fuß nach unten.«
»M-hm. Machen Sie mal. Verschließen Sie die Tür.«
Josh trat auf den Riegel.
»Und jetzt öffnen Sie.«
Josh zog am Griff der Schiebetür, und sie glitt leicht auf ihrer Schiene zur Seite.
»Versuchen Sie es noch einmal.«
Sarah schob ihren Mann zur Seite und trat fest auf den Riegel. Sie packte den Türgriff, und wieder glitt die Tür problemlos auf.
»Sie sollten sich einen Sicherheitsriegel für diese Tür anschaffen. Und bei den ganzen leer stehenden Häusern hier in der Gegend wäre eine Alarmanlage nicht das Schlechteste. Manchmal nisten sich Gangs oder Drogenabhängige in verlassenen Häusern ein. Das ist ein echtes Problem. Durch die Zwangsversteigerungen ist die Verbrechensrate mächtig nach oben geklettert.«
»Also denken Sie, dass jemand hier eingebrochen ist?«, fragte Sarah etwas zu eifrig.
»Es gibt keine Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen, aber ein Einbrecher müsste ja auch nichts aufbrechen, wenn er die Tür nur aufzuschieben braucht.«
»Wir lassen sie reparieren«, versprach Josh.
»Und lassen Sie eine Alarmanlage einbauen.«
»Machen wir.«
»Das ist alles?«, fragte Sarah. Ihre Stimme klang schriller, als sie wollte, und besaß einen leicht panischen Unterton.
»Das ist alles, was ich nach der aktuellen Spurenlage tun kann. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, kommen Sie zur Wache und erstatten Anzeige. Aber ich kann nicht einfach auf der anderen Straßenseite jemanden festnehmen, nur weil Sie einen bösen Traum hatten.«
»Aber Sie können ihn doch vernehmen?«
»Wollen Sie wirklich, dass ich das mache? Klar kann ich. Sie haben recht. Ich kann über die Straße gehen und ihn fragen, ob er in Ihr Haus eingebrochen ist und Sie im Schlaf überfallen hat. Aber wenn er nichts getan hat und Sie nur einen sehr realistischen Albtraum hatten, bringen Sie ihn damit nur auf die Palme und brechen womöglich einen Nachbarschaftskrieg vom Zaun.«
»Er hat recht«, sagte Josh. Sarah wusste das, aber es war nicht, was sie hören wollte. Sie wollte, dass Fingerabdrücke von ihrem Nachbarn genommen wurden. Sie wollte, dass ihr ganzes Haus nach Fingerabdrücken abgesucht wurde, nach Blut und Sperma und Haaren und
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