Der Totenerwecker (German Edition)
Teppich gereinigt worden war. Es sah aus, als wäre teilweise sämtliche Farbe ausgebleicht. Eine der cremefarbenen Stellen auf dem braunen Stoff war mehr als einen Meter groß. Als sie den Raum weiter inspizierten, fanden sie Ecken an der Wand hinter dem Bett, die wirkten, als hätte man sie gesäubert oder frisch gestrichen.
»Und bevor du fragst: Nein, ich bin nicht mitten in der Nacht aufgestanden, um den Teppich zu schrubben.«
Josh schüttelte den Kopf und rieb sich mit den Handflächen über das Gesicht. Er suchte offenbar nach den richtigen Worten, zermarterte sich das Gehirn darüber, was er sagen sollte, und es quälte ihn sichtlich, dass er keine Erklärung für das fand, was er sah. Sarah hoffte beinahe, dass Josh eine rationale Begründung abgeben konnte – und sei es, dass sie verrückt war. Aber Angst und Verwirrung standen ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
»Glaubst du wirklich, dass jemand im Haus war? Wie konnte er sich hereinschleichen, ohne dich zu wecken? Glaubst du, man hat dir was gegeben? Vielleicht K.o.-Tropfen oder so was?«
Sarah dachte darüber nach. Wenn man sie unter Drogen gesetzt hatte, ergaben ihre Erinnerungslücken und die verschwommenen traumartigen Bilder, die immer wieder kurz in ihrem Geist aufblitzten, viel mehr Sinn. Selbst ihre vermeintliche Erinnerung, ermordet worden zu sein, ließ sich als Drogenhalluzination erklären.
Aber wie sollte jemand hier reingekommen sein, um mir die Drogen zu geben? Und wie genau hat er sie mir verabreicht?, fragte sie sich. Die Theorie lieferte ebenso viele Antworten, wie sie neue Fragen aufwarf. Und wenn sie stimmte, bedeutete das, dass der Traum, von ihrem Nachbarn vergewaltigt worden zu sein, Realität war. Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper und erschauderte.
»Ich weiß nicht. Aber vielleicht sollte ich mich im Krankenhaus untersuchen lassen.«
»Bevor die Polizei hier ist ...« Josh hielt inne. Sarah sah ihn fragend an.
»Was, Josh?«
»Ich weiß, es ist bescheuert, aber ich muss dich fragen ...«
» Was fragen?«
»Die Drogen ... ähm ... sie werden doch nichts finden ... ich meine ... jemand hat dir was gegeben, stimmt’s? Du nimmst doch keine ... äh ...«
Sarah begriff, worauf er hinauswollte, und etwas Finsteres und Gemeines breitete sich in ihr aus, etwas, das Josh kratzen und ihm das Gesicht vom Schädel reißen oder ihm wenigstens eine runterhauen wollte. Sie wusste, dass seine Frage unter den gegebenen Umständen durchaus berechtigt war. Die ganze Angelegenheit hörte sich völlig wahnsinnig an. Und wenn sie nicht schizophren war, dann bestand die einzige andere Möglichkeit – abgesehen davon, dass tatsächlich jemand eingebrochen war und sie narkotisiert hatte, ohne dass sie etwas davon mitbekam – darin, dass sie selbst Drogen nahm und das alles in einer Art Delirium getan hatte.
Angesichts der Alternativen war es aus seiner Sicht am wahrscheinlichsten, dass sie tatsächlich Drogen nahm. Sie hatte Josh gestanden, auf der High School Methamphetamin zur Diätunterstützung geschluckt zu haben – die »Meth-Diät«, wie sie und ihre Freundinnen es damals scherzhaft nannten. Auf dem College hatte sie das Zeug erneut genommen, um sich nachts zum Lernen wach zu halten, kurz vor ihrer ersten Begegnung mit Josh. Er hatte jedes Recht, misstrauisch zu sein. Aber in diesem Moment brauchte sie dringend das Gefühl, ihn auf ihrer Seite zu wissen, und diese Frage, so berechtigt sie sein mochte, fühlte sich wie ein furchtbarer Verrat an.
»Nein, Josh. Ich bin kein Scheißjunkie. Ich schniefe kein Meth und ich rauche kein Crack, während du arbeiten bist.«
Sie wandte ihm den Rücken zu, als die Tränen zu fließen begannen. Sie wollte sich aufs Bett werfen, aber der Anblick der sauberen weißen Bettwäsche ließ sie erstarren. Auf keinen Fall wollte sie den Stoff berühren. Wer auch immer hier eingebrochen war und irgendwelche schlimmen Dinge mit ihr angestellt hatte, hatte auch die Bettwäsche angefasst. Mit tränennassem Gesicht stand Sarah mitten im Zimmer und schrie.
Kapitel 13
»Sie sagen also, Ihr Nachbar ist ins Haus eingebrochen und hat Sie mit Drogen narkotisiert und sexuell missbraucht?«
Der Polizist sah aus, als käme er frisch von der High School, aber er trug bereits die desinteressierte Miene eines Mannes zur Schau, der sich damit abgefunden hatte, von der Menschheit nur das Schlimmste zu Gesicht zu bekommen. Er wirkte wie jemand, den alles kaltließ, was nicht mindestens eine Schießerei oder
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