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Der Totengarten

Der Totengarten

Titel: Der Totengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Pelecanos
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bist du gerade? Klingt nach einer Party.«
    »Im Leo’s, ein Bier trinken. Was gibt’s denn?«
    »Ich und Sergeant Cook haben unseren Freund, den Officer, unter die Lupe genommen. Du weißt schon, den mit Streifenwagen 461. Fehlanzeige.«
    »Das überrascht mich nicht.«
    »Aber ich habe Cook aus den Augen verloren. Wir mussten uns vorübergehend trennen, und als ich zurückkam, war er nicht mehr da. Ich habe es bei ihm zu Hause versucht, hier ist er auch nicht. Ich fürchte, er könnte sich verirrt haben. Ich weiß ja nicht mal, ob er Straßenschilder lesen kann.«
    »Der Mann hatte einen Schlaganfall, aber kein Alzheimer. Er wird schon wieder auftauchen.«
    »Ich mache mir Sorgen um ihn«, beharrte Holiday. Er wartete auf eine Antwort, hörte aber nur die Hintergrundgeräusche aus der Bar. »Gus?«
    »Halt mich auf dem Laufenden. Ich bin noch eine Weile hier.«
    Holiday legte auf. Dann saß er in seinem Lincoln, dachte über den alten Mann nach und überlegte, wohin er gefahren sein könnte. Ihm fiel nur ein einziger Ort ein.

    T.C. Cook saß am Steuer seines Marquis, der in einer Seitenstraße in Good Luck Estates, einer Wohnsiedlung etwas abseits der Good Luck Road in New Carrollton, geparkt stand. Er blickte zu einem Gebäude im Ranch-Stil, dem Haus von Reginald Wilson. Drinnen brannte kein Licht, und auch in den Nachbarhäusern waren die meisten Fenster dunkel. Die Straße lag still und verlassen da, nur schwach beleuchtet.
    Cook saß schon seit einer Weile hier und dachte nach.
    Als Reginald Wilson aus dem Gefängnis entlassen worden war, war er in dieses Haus eingezogen, das seinen in der Zwischenzeit verstorbenen Eltern gehört hatte. Er musste seinen Besitz aus der Zeit vor der Haft irgendwo gelagert haben, oder seine Eltern hatten die Sachen bei sich untergestellt. Für Cook stand fest, dass Wilson sich niemals von seiner geliebten Electric-Jazz-Schallplattensammlung getrennt hätte. Vielleicht fand sich unter all den Vinylscheiben ein Hinweis. Cook ging jedenfalls davon aus, dass Wilson die abgeschnittenen Haare aufbewahrt hatte, seine Trophäen von den Palindrom-Morden. Das passte zu diesem Tätertypus. Cook nahm also an, dass diese Haarsträhnen, vor zwanzig Jahren von den Köpfen von Otto Williams, Ava Simmons und Eve Drake abgeschnitten, irgendwo in dem Haus versteckt waren, das er jetzt vor sich sah. Und der alte Sergeant war überzeugt davon, dies sei ein günstiger Zeitpunkt, um seine Annahme zu überprüfen.
    Er wusste, dass das, was er vorhatte, eine Straftat war. Doch er spürte, dass die Zeit knapp wurde. Natürlich war es möglich, dass sich die Haarsträhnen nicht im Haus befanden. Aber vielleicht gab es dort etwas anderes, das Reginald Wilson mit dem Tod dieser Kinder in Verbindung brachte. Etwas, das ausreichte, damit der Fall neu aufgerollt wurde. Er suchte nach einem handfesten Indiz, das Detective Ramone dazu veranlassen würde, zu einem Richter zu gehen und eine DNA-Untersuchung von Wilson in die Wege zu leiten. Cook war sich sicher – ebenso sicher wie im Jahr 1985 –, dass Wilson der Gesuchte war.
    Er nahm sein Diktiergerät aus dem Handschuhfach, drückte die rote »Aufnahme«-Taste und sagte in das Mikrophon:
    »Hier spricht Sergeant T.C. Cook. Ich bin im Begriff, in das Haus von Reginald Wilson in Good Luck Estates einzudringen. Ich habe Grund zu der Annahme, dass sich in diesem Haus Beweismaterial befindet, das Mr. Wilson mit den sogenannten Palindrom-Morden in Verbindung bringt, die 1985 in Washington D.C. begangen wurden. Ich suche insbesondere nach Haarproben, die möglicher-weise von den Opfern genommen wurden. Ich habe keinen Durchsuchungsbeschluss. Ich stehe nicht mehr im aktiven Polizeidienst. Ich habe in den vergangenen Tagen mit einem jungen Mann namens Dan Holiday zusammengearbeitet, der ein guter Polizist ist. Aber ich möchte klarstellen, dass er mit meiner bevorstehenden Aktion nichts zu tun hat. Ich handele eigenmächtig und im Alleingang, in der Hoffnung, den Angehörigen etwas Frieden zu bringen. Und auch diesen wunderbaren Kindern, die getötet wurden.«
    Cook nannte noch Datum und Uhrzeit, dann schaltete er das Diktiergerät aus. Er dokumentierte all das für den Fall, dass er bei dem Versuch, sich Zutritt zu dem Haus zu verschaffen, für einen Einbrecher gehalten und erschossen würde. Er wollte nicht im Tod als verrückter alter Mann angesehen werden, der in Häuser einbrach wie irgendein geistig verwirrter Kerl, der im Bademantel auf der Straße

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