Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Totengarten

Der Totengarten

Titel: Der Totengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Pelecanos
Vom Netzwerk:
Umgebung sichtlich unwohl fühlten, und sprachen nervös in ihre Handys.
    »Die wollen tatsächlich auch dieses Drecksloch auf Vordermann bringen?«, sagte Gaskins verblüfft.
    »Wenn du mich fragst: Das ist, als ob man eine Schusswunde mit Heftpflaster verarztet«, kommentierte Brock.
    »Wo sind die Jungs?«, fragte Gaskins.
    »Die hängen immer da drüben an der Straßenecke rum«, erwiderte Brock. Er fuhr langsam die Gallaudet Street entlang, vorbei an einer Reihe trister Ziegel- Wohnblocks auf der einen und einer geschlossenen Grundschule auf der anderen Straßenseite.
    Brock parkte den Impala am Straßenrand und schaltete den Motor ab.
    »Da geht dieser Charles.« Brock wies mit dem Kinn in Richtung eines Dreizehnjährigen mit wadenlangen Shorts, einem blau-weiß gestreiften Polohemd und blauweißen Nikes. »Findet es wohl ganz schlau, mir aus dem Weg zu gehen.«
    »Er ist doch noch ein Kind.«
    »Das sind alles Kinder, aber nicht mehr lange. Wenn wir ihnen rechtzeitig einen Denkzettel verpassen, werden sie später nicht frech.«
    »Aber Kinder fertigmachen – ich weiß nicht, Kumpel.«
    »Warum nicht?«
    Brock und Gaskins stiegen aus und gingen über den brüchigen Asphalt des Bürgersteigs, in dessen Rissen Unkraut wucherte. Anwohner, die auf den Stufen vor ihren Wohnungen oder in Klappstühlen auf dem kümmerlichen Rasen vor den Häusern saßen, beobachteten, wie sich die beiden Männer einer Gruppe Jungen an der Kreuzung von Gallaudet und Fenwick Street näherten. Die Jungen standen immer an dieser Ecke, jeden Abend und auch tagsüber, wenn sie nicht gerade in der Schule waren.
    Als sie Brock auf sich zukommen sahen, sehnig und muskulös unter seinem roten Rayonhemd, rannten sie davon, schneller, als sie vor der Polizei abgehauen wären. Sie kannten Brock und Gaskins, wussten, weshalb sie hier waren und was sie tun würden, um ihr Ziel zu erreichen.
    Zwei der Jungen blieben stehen, denn ihnen war klar, dass Weglaufen zwecklos wäre. Der ältere der beiden hieß Charles, der jüngere war sein Freund James. Charles war der Anführer einer Gruppe von Teenagern und jüngeren Kids, die ausschließlich an diesem Abschnitt der Gallaudet Street Marihuana verkauften. Sie hatten aus Spaß, und weil sie Gangster sein wollten, damit angefangen, doch dann war das Geschäft ganz von selbst immer besser gelaufen. Die Jungen kauften bei einem Lieferanten im Viertel Trinidad ein, der seine eigenen Weiterverkäufer hatte. Einige von ihnen versorgten unauffällig auch Ivy City, doch der Lieferant gönnte den Jungen ihre Straßenecke, denn immerhin brachten sie seine Ware unter die Leute und zahlten dafür. Charles’ Leute verkauften Portionen zu zehn Dollar in kleinen, wiederverschließbaren Plastikbeuteln.
    Charles bemühte sich, Haltung zu bewahren, als Brock und Gaskins näher kamen. James blieb zwar ebenfalls stehen, konnte Romeo Brock jedoch nicht in die Augen sehen.
    Brock war einen Kopf größer als Charles. Er baute sich dicht vor dem Jungen auf und blickte auf ihn hinunter. Conrad Gaskins kehrte ihnen den Rücken zu, verschränkte die Arme und warf den Anwohnern gegenüber, die die Szene verfolgten, finstere Blicke zu.
    »Teufel auch, Charles«, sagte Brock. »Mir scheint, du bist erstaunt, mich zu sehen.«
    »Ich wusste, dass Sie kommen würden.«
    »Warum siehst du dann so überrascht aus?« Brock bedachte ihn mit einem breiten, unheilverkündenden Grinsen. Seine Züge waren scharf und kantig, und der sauber getrimmte Vandyke-Bart verstärkte den Eindruck noch. Seine Ohren waren spitz. Er trug gern Rot. Alles in allem sah er aus wie ein hochgewachsener Teufel.
    »Ich war da«, behauptete Charles. »Ich war da, wo Sie gesagt haben.«
    »Nein, das warst du nicht.«
    »Sie haben gesagt, ich soll um neun an der Kreuzung von Okie und Fenwick sein. Ich war da.«
    »Von Okie hab ich nichts gesagt, verflucht. Ich habe gesagt, an der Kreuzung von Gallaudet und Fenwick, genau hier, wo wir jetzt gerade stehen. Hab es dir extra leichtgemacht, damit du kleiner Scheißer es nur ja nicht durcheinanderbringst.«
    »Sie haben Okie gesagt.«
    Brocks rechte Hand schnellte vor und versetzte Charles eine schallende Ohrfeige. Charles taumelte zurück. Für einen Moment war er benommen, dann schossen ihm Tränen in die Augen, und seine zusammengepressten Lippen verzogen sich wie zu einem Schmollmund. Brock wusste: Wenn es darum ging, einem Jungen seinen Stolz zu nehmen, konnte die flache Hand mehr bewirken als die Faust.
    »Wo wollten

Weitere Kostenlose Bücher