Der Totengarten
Loser, aber ich habe Geld, das könnt ihr mal glauben.
Holiday hatte in seinem schwarzen Lincoln Town Car vor dem Haus in Bethesda gewartet und gesehen, wie der Bursche herauskam. Er hatte sein Alter geschätzt, und weil er wusste, dass der Mann eine Art Schriftsteller war (Holiday war von einem Verlag in New York kontaktiert worden, für den er regelmäßig fuhr), hatte er angenommen, dass der Klient auf das New-Wave-Zeug aus seiner Jugend stand, also etwa ab 77. Und noch bevor der Bursche in den Wagen stieg, hatte Holiday im Radio bereits Fred eingestellt, das »klassisch-alternative« Programm.
»Sie können auch selbst einen anderen Sender einstellen, wenn Sie möchten«, sagte Holiday. »Die Tasten sind an der Sitzlehne, direkt vor Ihnen.«
Sie fuhren hinaus zum Dulles Airport. Holiday trug sein schwarzes Jackett, auf die Chauffeursmütze hatte er allerdings verzichtet – damit fühlte er sich immer wie ein Hotelpage. Die Mütze setzte er nur auf, wenn er hohe Tiere chauffierte, Konzernbosse oder Politiker.
Bei diesem Klienten hielt Holiday es für überflüssig, besonders förmlich aufzutreten, und das war ihm nur recht, aber die Musik, Himmel, die trieb ihn zum Wahnsinn. Irgendein Junkie plärrte hysterisch aus den Lautsprechern. Der Schriftsteller auf dem Rücksitz nickte im Rhythmus, während er sich das Radiobedienfeld in dem Lederbezug vor sich genauer ansah.
»Sie haben hier Satellit?«, erkundigte sich der Schriftsteller.
»Ich statte alle meine Fahrzeuge mit XM aus«, sagte Holiday. Alle. Er hatte zwei.
»Cool.«
»Funktioniert eigentlich genauso wie GPS«, erklärte Holiday. »Als ich noch bei der Polizei war, haben wir das benutzt, um Fahrzeuge zu orten und ihre Bewegungen zu verfolgen.«
»Sie waren Cop?« Das weckte anscheinend die Neugier des Klienten. Zum ersten Mal begegnete er im Rückspiegel Holidays Blick.
»In D.C.«
»Das war sicher interessant.«
»Ich könnte einige Geschichten erzählen.«
»Das kann ich mir denken.«
»Wie auch immer, nachdem ich aus dem Dienst ausgeschieden bin, habe ich diesen Service gegründet.«
»Sie scheinen mir zu jung, um schon im Ruhestand zu sein.«
»Ich habe meine volle Dienstzeit abgeleistet, auch wenn man es mir nicht ansieht«, sagte Holiday. »Ich habe wohl Glück gehabt mit den Genen.«
Holiday zog ein paar Visitenkarten aus dem Plastik-Steckfach unter der Sonnenblende hervor und reichte sie seinem Klienten nach hinten. Der Bursche nahm sie und las den erhaben geprägten Schriftzug: »Holiday Autoservice« stand ganz oben in altenglischer Schrift, darunter: »Luxustransfer, Security, VIP-Betreuung«. Und dann der Slogan: »Mit Holiday wird Ihr Arbeitstag zum Freizeitausflug.« Ganz unten standen Holidays Kontaktdaten.
»Sie machen auch Security?«
»Das ist mein Schwerpunkt. Mein Fachgebiet.«
»So richtig als Bodyguard und so?«
»M-hm.«
In Wirklichkeit überließ Holiday die Bodyguard-Aufträge hauptsächlich seinem zweiten Fahrer und einzigen Angestellten Jerome Beiton. Beiton, ein ehemaliger Football-Verteidiger an der Virginia Tech, der sich in seinem Abschlussjahr das Knie ruiniert hatte, übernahm die Security-Jobs, was bedeutete: Er chauffierte Konzernchefs, drittklassige Rapper und andere Persönlichkeiten aus der Unterhaltungsbranche, wenn sie zu Auftritten in die Stadt kamen. Beiton war ein großer, kräftiger Mann, der, wenn es die Situation erforderte, eine versteinerte, todernste Miene aufsetzen konnte; damit erfüllte er die nötigen Voraussetzungen für den Job.
Holiday überholte ein Washington-Flyer-Taxi und zog seinen Lincoln Town Car wieder auf die rechte Spur hinüber. Im Spiegel sah er, dass der Schriftsteller seine Karten in die Brusttasche steckte. Wahrscheinlich würde er sie am Flughafen im nächsten Abfalleimer entsorgen, aber man konnte nie wissen. Persönliche Empfehlungen waren das A und O, wenn man ein Geschäft in Gang bringen wollte – jedenfalls hatte Holiday das mal gehört. Saßen die Klienten erst einmal im Wagen, spielte die Präsentation die entscheidende Rolle. Die säuberlich gefalteten Ausgaben der Washington Post, der New York Times und des Wall Street Journal, die Dose Pfefferminzpastillen, die Evian-Flaschen und das Satellitenradio – all das sollte den Eindruck von hervorragendem Service vermitteln und dem Klienten das Gefühl geben, etwas ganz Besonderes zu sein, jemand, der es nicht nötig hatte, mit einem gewöhnlichen Taxi zu fahren. Holiday hatte sogar immer eine Ausgabe der
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