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Der Totengarten

Der Totengarten

Titel: Der Totengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Pelecanos
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Washington Times im Kofferraum für den Fall, dass der Klient aussah, als sei er von diesem Schlag.
    »Sie sind also Schriftsteller«, sagte Holiday und bemühte sich, interessiert zu klingen.
    »Ja«, bestätigte der Klient. »Ich habe gerade eine dreiwöchige Lesereise vor mir.«
    »Muss interessant sein, so seinen Lebensunterhalt zu verdienen.«
    »Manchmal schon.«
    »Macht das Reisen Spaß?«
    Reißt du unterwegs viele Weiber auf?
    »Manchmal. Meist ist es ziemlich ermüdend. Die vielen Flugreisen strengen doch sehr an.«
    »Das klingt nach einem ganz schön harten Job.«
    »Allein die Security am Flughafen heutzutage ist eine Strapaze.«
    »Wem sagen Sie das.«
    Du Weichei.
    »Manchmal graut mir richtig davor«, sagte der Schriftsteller.
    »Das kann ich mir vorstellen«, erwiderte Holiday.
    Kerl, zieh dein Röckchen aus und kleb dir Haare an die Eier.
    Den Rest der Fahrt sagte Holiday nicht mehr viel. Er hatte seine Pflicht getan, ein paar Geschäftskarten an den Mann gebracht, damit war die Sache für ihn erledigt. Er lutschte ein Pfefferminzbonbon und dachte an seinen nächsten Drink.
    Er langweilte sich tödlich. Das war doch nichts für einen echten Kerl, sein Geld mit einer albernen Mütze auf dem Kopf zu verdienen und Leute durch die Gegend zu kutschieren, verdammt.
    »Ich fliege mit United«, sagte der Mann auf dem Rücksitz, als sie zu den farbigen Orientierungsschildern kamen, die anzeigten, zu welchem Eingang sie mussten.
    »Ja, Sir.«
    Holiday setzte seinen Klienten am Gate ab und hob das Gepäck aus dem Kofferraum. Der Schriftsteller gab ihm fünf Dollar Trinkgeld. Holiday schüttelte die kleine Hand des Mannes und wünschte ihm einen guten Flug.
    Um diese Zeit war die 495 immer ein einziger Parkplatz von Virginia bis nach Maryland. Holiday suchte eine Bar und wollte die Rushhour verstreichen lassen. Vielleicht traf er jemanden, mit dem er sich unterhalten konnte, und vielleicht kam ja auch ein bisschen Feierabendstimmung auf. Wenn der Verkehr nachließ, würde er sich auf den Rückweg machen.
    Er fand ein Hotel in Reston, ein paar Ausfahrten in Richtung D.C. Der ganze Komplex nannte sich Town Center und wirkte wie ein echtes Einkaufszentrum, das aus einer richtigen Stadt mitten in ein Maisfeld versetzt worden war. Auf dem Weg zur Bar stellte sich Holiday beim Portier vor und überreichte ihm ein paar seiner Karten, zusammen mit einem Zehndollarschein. Viele seiner Aufträge kamen von Hotels, und Holiday bemühte sich immer, persönliche Kontakte zu pflegen.
    Die Bar war nett, es gab mehrere Stehtische und Hocker für Gäste, die lieber saßen. Durch eine Fensterfront hatte man Ausblick auf die künstliche Ladenstraße. Holiday setzte sich an die Bar und legte seine Zigaretten und Streichhölzer auf den kühlen Marmortresen. Etwas Gutes hatte Virginia: Hier durfte man in Bars noch rauchen.
    »Sir?«, sagte die Frau an der Bar, eine üppige Blondine.
    »Absolut on the rocks«, bestellte Holiday.
    Er trank und rauchte eine Marlboro. Unter den überwiegend männlichen Gästen sah er reichlich Ziegenbärte, Stoffhosen von Kenneth Cole, Stretchleder-Schnürschuhe und Golfhemden bei denen, die den Nachmittag freihatten. Die Frauen waren ähnlich adrett gekleidet. Holiday sah in seinem schwarzen Hugo-Boss-Anzug und dem weißen Hemd aus wie ein Geschäftsmann, eher im europäischen Stil, etwas hipper als die Techies um ihn herum.
    Er unterhielt sich mit einem jungen Handelsvertreter, und sie gaben einander jeweils einen Drink aus. Als sein Gesprächspartner auf sein Zimmer ging, stellte Holiday fest, dass es draußen inzwischen dunkel geworden war. Er bestellte sich noch einen Drink, hielt das Glas in der Hand und beobachtete den Dampf, der von den Eiswürfeln aufstieg. Er war jetzt entspannt. Er hatte einen vertrauten, dunklen Weg eingeschlagen und empfand immer noch kein Bedürfnis umzukehren.
    Eine attraktive Rothaarige, die die fünfunddreißig offensichtlich hinter sich gelassen hatte, setzte sich neben ihn. Sie trug ein grünliches Kostüm, das ihr rotes Haar gut zur Geltung brachte und zu ihren grünen Augen passte – lebhaften Augen, die ihm verrieten, dass sie im Bett eine Wucht sein würde. Holiday nahm all das mit einem einzigen raschen Blick wahr. Darin war er gut.
    Er hielt seine brennende Zigarette zwischen den Fingern hoch. »Stört es Sie?«
    Dabei zeigte er seine Zähne und die Lachfältchen um seine eisblauen Augen. Der erste Eindruck war entscheidend.
    »Nicht, wenn ich eine schnorren

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