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Der Totengarten

Der Totengarten

Titel: Der Totengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Pelecanos
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ihm mit Klapsen wenigstens etwas Vernunft einzubläuen. Sie war einfach ein guter Mensch. Sich um ihr leibliches Kind zu kümmern war das mindeste, was er für sie tun konnte.
    Doch Romeo war auf dem falschen Weg. Er näherte sich jener kritischen Grenze, die er bald schon überschreiten würde, und Gaskins, der sich am liebsten abgesetzt hätte, war in der Zwickmühle. Es machte ihn krank, dass er wusste, wohin Romeo ihn trieb, aber er musste bleiben.
    Sie steuerten auf einen steilen Abhang zu. Die Türen des Wagens waren verschlossen, und es gab keine Bremse.

    Zu Hause ging Gaskins ins Bad, duschte und zog sich um. Das Haus war einstöckig mit einer Veranda und lag abseits der Straße am Ende einer Schotterzufahrt, halb verborgen zwischen alten Ahorn- und Eichenbeständen unter einer hohen Kiefer. Neben dem Haus wuchs ein großer Tulpenbaum. Herabgefallene Zweige lagen auf dem Dach. Das Häuschen war heruntergekommen, Rohre und Stromleitungen hätten erneuert werden müssen, doch der Eigentümer ließ sich nie blicken. Die Miete war dementsprechend niedrig, und Brock zahlte immer pünktlich. Er wollte nicht, dass der Vermieter oder irgendjemand sonst herkam.
    Gaskins zog sich ein Kapuzensweatshirt über und warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Die Arbeit als Landschaftsgärtner hielt ihn fit. Im Gefängnis hatte er regelmäßig Gewichte gestemmt. Mit seinem kompakten Körperbau und den kräftigen, muskulösen Schenkeln war er in seiner Jugend ein recht attraktiver Mann gewesen, den man sich gut als Runningback beim Football vorstellen konnte – schwer aufzuhalten, schwer zu Fall zu bringen. Er hatte in der Stadt bei den Pop Warner Little Scholars gespielt, aber aufgehört, als er sich mit ein paar Typen in Trinidad einließ, dem Viertel, in dem er aufgewachsen war. Der Trainer hatte versucht, ihn in der Mannschaft zu halten, doch Gaskins war zu clever und stieg aus. Das Geld lockte und alles, was damit einherging. Und er hatte es auch bekommen. Für kurze Zeit. Er hätte einen ordentlichen Halfback abgeben können, wenn er länger als bis zur zehnten Klasse an der Phelps geblieben wäre. Wenn er nicht zu clever gewesen wäre.
    Er betrat Romeos Zimmer, das so chaotisch aussah wie das eines Teenagers. Brock saß auf dem Bett und überprüfte gerade die Patronen in einer Gold Cup.45 er.
    »Neu?«, fragte Gaskins.
    »Ja.«
    »Was ist mit deiner anderen?«
    »Hab ich eingetauscht, die hier ist besser«, sagte Brock.
    »Wozu brauchst du sie?«
    »Ich trage immer eine Waffe, wenn ich arbeite. Du brauchst auch eine.«
    »Warum?«
    »Ich hab mit unserem Mann gesprochen«, sagte Brock. »Fishhead hat heute Abend was für uns.«
    »Was?«
    »Was Interessantes, mehr weiß ich auch noch nicht. Unser Mann sagt, da springt richtig was für uns raus.«
    »Ich sollte nicht mal im selben Wagen mit jemandem sitzen, der eine Knarre hat. Wenn wir gefilzt werden, bin ich dran.«
    »Dann bleib meinetwegen hier. Ich kann auch jemand anderen zur Verstärkung auftreiben.«
    Gaskins musterte seinen Cousin von oben bis unten. Der Junge steuerte geradewegs auf den Knast oder das Grab zu, und beides ließ ihn kalt. Solange er nur einen Ruf hinterließ. Gaskins konnte nicht verhindern, was ohnehin geschehen würde. Aber er musste es wenigstens versuchen.
    »Was hast du für mich?«, fragte Gaskins.
    Brock zog ein Stoffbündel unter dem Bett hervor, schlug das Tuch auseinander und reichte Gaskins eine 9-Millimeter- Automatik.
    »Glock 17«, sagte Brock.
    »Das Scheißding ist aus Plastik«, protestierte Gaskins.
    »Gut genug für die Cops.«
    »Woher hast du sie?«
    »Du kennst doch den Händler unten in Landover?«
    Gaskins inspizierte die Waffe.»Keine Seriennummer?«
    »Hat er abgefeilt.«
    »Noch so eine todsichere Art, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Du brauchst das Ding nicht mal benutzen; wenn sie dich damit erwischen, ist das allein schon ein Verbrechen.«
    »Mach dir mal nicht in die Hose.«
    »Ich versuch nur, dir Vernunft beizubringen.«
    Gaskins nahm das Magazin heraus, drückte mit dem Daumen auf die oberste Patrone und spürte den Widerstand der Feder. Dann schob er das Magazin wieder ein. Er steckte die Waffe in den Hosenbund, das Griffstück nach rechts, so konnte er es leicht mit der rechten Hand erreichen. Es war ein vertrautes Gefühl auf der Haut.
    »Los?«, fragte Gaskins.
    »Das gefällt mir schon besser«, erwiderte Brock.

    Ivan Lewis wurde, schon seit er denken konnte, Fishhead genannt. Er verdankte den Namen

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