Der Totengarten
Morddezernat kamen häufig mit ihren PC-Problemen zu ihm, da Wilkins sich hervorragend mit Computern auskannte und stets hilfsbereit war. Er war ein ehrlicher und anständiger Kerl. Ein wenig zynisch, doch damit war er nicht allein. Aber was seine Fähigkeiten als Ermittler betraf, hatte er nun einmal, wie Rhonda es ausgedrückt hatte, einen beschränkten Horizont.
»Gibt es Zeugen?«, fragte Ramone.
»Bisher nicht«, antwortete Wilkins.
»Wer hat den Fall gemeldet?«
»Ein anonymer Anrufer«, sagte Wilkins.»Wir haben eine Aufnahme …«
Ramones Blick wanderte zu dem uniformierten Polizisten hinüber, der in Hörweite an seinem 4D-Streifenwagen lehnte. Er war eher groß, schmal und blond. Am vorderen Seitenblech seines Ford stand die Fahrzeugnummer. Ramone las sie beiläufig – eine Gewohnheit aus der Zeit, als er selbst Streifenpolizist gewesen war.
»Wir werden sämtliche Anwohner befragen«, erklärte Wilkins und lenkte Ramones Aufmerksamkeit wieder auf den Fall.
»Das da oben ist McDonald Place, nicht wahr?«, erkundigte sich Ramone mit einer Kopfbewegung zu der Wohnstraße jenseits des Gartens.
»Dort werden wir uns zuerst umhören«, erwiderte Wilkins.
»Und bei der Kirche.«
»Saint Paul’s Baptist«, warf Rhonda ein.
»Darum kümmern wir uns«, sagte Loomis.
»Im Tierheim arbeitet doch auch eine Nachtschicht, oder?«, fragte Ramone.
»Wir haben einiges vor«, stellte Wilkins fest.
»Wir könnten euch helfen«, bot Ramone vorsichtig an; es sollte nicht klingen, als wollte er sich einmischen.
»Willkommen im Club«, erwiderte Wilkins.
»Ich sehe mir mal die Leiche an«, sagte Ramone.»Wenn du nichts dagegen hast.«
Ramone und Rhonda Willis entfernten sich. Als sie an dem Streifenwagen vorbeigingen, richtete sich der Uniformierte, der daran gelehnt hatte, auf und sprach sie an.
»Detectives?«
»Was gibt es?«, fragte Ramone und wandte sich dem Streifenpolizisten zu.
»Mich würde interessieren, ob sich schon Zeugen gemeldet haben.«
»Bisher nicht«, antwortete Rhonda.
Ramone las das Namensschild auf der Brust des Uniformierten und blickte dann in dessen blaue Augen.»Haben Sie hier irgendeine Funktion?«
»Ich bin zur Unterstützung hergekommen.«
»Dann machen Sie sich nützlich. Halten Sie die Gaffer und die Medienleute von der Leiche fern, verstanden?«
»Ja, Sir.«
Als sie den Garten betraten, sagte Rhonda:»War das nicht etwas knapp, Gus?«
»Einzelheiten über die Ermittlung gehen ihn überhaupt nichts an. Als ich noch in Uniform war, wäre ich nie so dreist gewesen. Im Beisein von Höherrangigen hielt man den Mund, bis man gefragt wurde.«
»Vielleicht ist er nur ehrgeizig.«
»Noch so eine Sache, die mir nie eingefallen wäre. Ehrgeiz.«
»Aber befördert wurdest du trotzdem.«
Die Leiche lag nicht weit vom Rand des Gartens entfernt in einem Beet neben einem schmalen Pfad. Die beiden blieben in einiger Entfernung stehen, um die Spuren am Tatort nicht zu verfälschen. Eine Technikerin des mobilen Kriminallabors, Karen Krissoff, war gerade dicht bei Asa Johnson zugange.
»Hallo, Karen«, grüßte Ramone.
»Hi, Gus.«
»Hast du die Abdrücke schon?«, erkundigte er sich, womit er etwaige Fußabdrücke in der weichen Erde meinte.
»Ihr könnt ruhig näher kommen«, erwiderte Krissoff.
Ramone ging auf den Toten zu, hockte sich hin und betrachtete ihn eingehend. Ihm wurde nicht übel beim Anblick von Diegos totem Freund. Er hatte den Tod schon zu oft gesehen, so konnten die sterblichen Überreste eines Menschen ihn nicht mehr aus der Fassung bringen; für ihn war der Körper nichts als eine Hülle. Er war nur traurig und auch etwas frustriert, weil er wusste, dass das hier durch nichts mehr ungeschehen gemacht werden konnte.
Nachdem Ramone Asa und die unmittelbare Umgebung der Leiche lange genug studiert hatte, richtete er sich wieder auf. Dabei hörte er sich selbst leise ächzen.
»Schmauchspuren«, bemerkte Rhonda aus gut zwei Metern Entfernung.»Der Schuss wurde aus nächster Nähe abgegeben.«
»Stimmt«, bestätigte Ramone.
»Ziemlich warm für diese North-Face-Jacke«, sagte Rhonda.
Ramone hörte die Bemerkung, sagte aber nichts.
Sein Blick wanderte zur Straße hinüber, vorbei an den Gaffern, den Uniformierten und den Leuten von der Spurensicherung. An der Oglethorpe stand ein schwarzer Lincoln Town Car geparkt, und ein Mann in schwarzem Anzug lehnte an der Beifahrertür des Wagens. Der Mann war groß, dünn und blond. Für einen Moment begegnete er
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